Anfang der 50er Jahre kamen die Brüder Stransky aus Parnik in der Tschechoslowakei, die ursprünglich Fahrräder gebaut hatten, mit einem Dreirad-Modell namens OSKAR heraus, das mit unterschiedlicher Motorisierung und in weiter entwickelter Form bis 1971 zu haben war. Ab 1956 wurden die recht sportlichen Dreiräder unter dem Markennamen Velorex vertrieben
Entwickelt hatten die beiden Tüftler ihr Dreirad bereits kurz nach dem Krieg. Um in dem sozialistischen Land eine Genehmigung für die Serienproduktion ihres Fahrzeugs zu erhalten, bedienten sich die Brüder eines Tricks und meldeten es einfach als Krankenfahrzeug an. Das machte keine Probleme, denn der Bedarf an Fahrzeugen für die vielen Invaliden aus dem Krieg war riesig.
Den Impuls gerade ein Dreirad zu bauen und zwar eines mit zwei Rädern vorn, hatte den Stransky-Brüdern der Morgan-Threewheeler aus den 30er Jahren gegeben. So ein sportliches Gefährt wollten auch die Stranskys auf die Räder stellen. Mit den Erfahrungen aus dem Fahrradbau konstruierten sie ein sehr robustes und leichtes Fahrzeug mit einer Zahnstangenlenkung, die sportliches Fahren ermöglichte, mit einem akzeptablem Wetterschutz und zwei Sitzen. Als Triebwerk fungierte ein Motorradmotor, zumeist aus dem Hause Jawa. Sogar der eingebaute Benzintank, war ein schlichter Motorradtank. Übrigens kamen viele verwendeten Teile aus anderen Ostblock-Betrieben. Da in dem System eigentlich alles reglementiert wurde und oft nur über eine offizielle Zuteilung zu bekommen war, nahm man, was man eben kriegen konnte. So zierte etwa das kleine Armaturenbrett des abgebildeten Dreirads ein Rundinstrument von Skoda.
Der von 1963 bis 1971 angebotene Velorex 16/350 stellte die ausgereifteste und die mit 12000 Exemplaren auch am meisten verkaufte Variante dieses Dreirads dar
Es bestand aus einem selbsttragenden Gitterrohrrahmen, der durch seine Form auch eine sehr effiziente Knautschzone besaß und daher recht sicher war. Der Rahmen war mit einem kunstlederartigen und wetterfesten Stoff aus Weich-PVC bezogen und hatte ein Verdeck. Dieses „Igelit“ genannte Material war damals als Lederersatz für Schuhe, Taschen und Regenmäntel im ganzen Ostblock bekannt und berüchtigt. Zur Beplankung des zigarrenartig geformten Rohrrahmens eignete sich das preisgünstige Material recht gut. Weder der leichte Rahmen noch das Abdeckmaterial oder der Motorradmotor von Jawa, ein Zweizylinder-Zweitakter mit 350 ccm Hubraum und einer Leistung von 16 PS, wogen viel, so dass das Dreirad nur 310 kg auf die Waage brachte. Normalerweise war der verwendete Jawa-Motor luftgekühlt und stand in dem Ruf, wegen der unzureichenden Kühlung zwischen den Zylindern nicht vollgasfest zu sein. Dieses Problem trat beim Velorex nicht auf, weil der Jawa-Motor im Velorex eine Gebläsekühlung besaß. Ausgestattet war das Dreirad mit einem Vierganggetriebe ohne Rückwärtsgang. Wollte man rückwärts fahren, startete man den Motor mit der Dynastartanlage in Gegenrichtung, was ja bei einem Zweitaktmotor möglich war. Dazu musste der Motor freilich erst einmal ausgeschaltet und ein Hebel betätigt werden. Danach hatte man vier Gänge zum rückwärts fahren zur Verfügung.
Der Velorex war im Volksmund auch als „Fetzenflieger“ bekannt
Woher dieser Spitzname rührt, ist leicht nachzuvollziehen, denn das Dreirad war mit textilen Materialien also „Fetzen“ bekleidet und außerdem recht schnell. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 85 km/h konnte unser Velorex jedenfalls punkten. Wegen seiner sportlichen Fahreigenschaften war er nicht nur bei der tschechoslowakischen Jugend, die mit ihm sogar Rennen austrug, sehr beliebt. Auch in Ungarn und Polen, wohin viele Velorex-Dreiräder gingen, hatte man etwas für ihn übrig.
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: gebläsegekühlter Jawa-Zweizylinder-Zweitaktmotor
Hubraum: 344 ccm
B x H: 58 mm x 65 mm
Leistung: 16 PS bei 4750 U/min
Vergaser: JIKOV-Vergaser
Höchstgeschwindigkeit: 85 km/h
Zündung: umsteuerbare Dynastartanlage 12V 150 Watt, zusätzlicher Handstarter
Schmierung: Gemischschmierung 1:25
Kupplung: Lamellenkupplung im Ölbad
Getriebe: vier Vorwärts,- und vier Rückwärtsgänge
Radaufhängung vorn: an Schwingarmen, Stahlfedern, hydraulische Stoßdf.
Radaufhängung hinten: an Schwinge, Stahlfedern, hydraulische Stoßdf.
Karosserie: selbsttragender Gitterrohrrahmen bezogen mit Kunstleder
Bremsen: Innenbackenbremsen
Länge: 3100mm
Breite: 1400mm
Höhe: 1240 mm
Gewicht: 310 kg
Bauzeit: 1963-1971
Stückzahl: 12000 Ex.