Tatra - 2-603 (1973)


Das Luxuswagenmodell Tatra 603 des tschechoslowakischen Automobilpioniers (seit 1897) aus Koprivnice, der ab 1948 dem Staat unterstand, wurde zwar in den frühen 50er Jahren vom damaligen Chefingenieur Julius Mackerle entworfen, basierte aber in seiner Grundkonstruktion auf den Arbeiten des genialen Tatra-Konstrukteurs Hans Ledwinka

Ledwinka war über einen Zeitraum von 40 Jahren (1905-1945) technischer Direktor von Tatra. Nur für kurze Zeit ging er von 1917 bis 1921 zu den Steyr-Werken in Österreich, kehrte dann aber wieder zu Tatra zurück und revolutionierte in den 20er Jahren die Automobilgeschichte mit seinen außergewöhnlich zuverlässigen Kleinwagen samt Vierzylinder-Boxermotoren, Zentralrohrrahmen und Pendelhinterachse und in den 30er Jahren mit seinen Aufsehen erregenden Stromlinienfahrzeugen samt luftgekühlten V-Achtzylindermotoren im Heck. Seine stromlinienförmigen Konstruktionen für die Marke Tatra, darunter der T77 von 1934 als erstes in Serie gebautes Stromlinienautomobil der Welt mit ohc V-Achtzylinderheckmotor und der T87 mit teilselbsttragender Karosserie, wurden in den 30er Jahren heiß diskutiert und machten das tschechoslowakische Unternehmen weltweit bekannt. Ganz sicher hatten Ledwinkas Arbeiten auch großen Einfluß auf Ferdinand Porsche, einen weiteren Vertreter der Konstrukteurs-Elite und Bekannten Ledwinkas. Dass Porsche bei der Konstruktion des KdF-Wagens (später Volkswagen Käfer) viele Ideen von Ledwinkas Prototypen V-570 von 1933 abgeschaut hatte, wird stark angenommen.

1945 geriet Hans Ledwinka in Haft

Im Laufe der politischen Turbulenzen nach dem Krieg in der Tschechoslowakei wurde Ledwinka trotz seiner Verdienste verhaftet und konnte von Glück sagen dass er „nur“ für 6 Jahre interniert wurde, denn seinen Chef, den Freiherrn von Ringhoffer ermordeten die Kommunisten Ende 1946. Rehabilitiert wurde Ledwinka erst Anfang der 90er Jahre.

Den konstruktiven Grundprinzipien Ledwinkas war der von 1956 bis 1975 in drei Serien gebaute Tatra 603 treu geblieben. Ledwinka selbst arbeitete nicht mehr bei Tatra, sondern lebte von 1951 bis zu seinem Tod 1967 in München

Für einige Jahre (von 1951 – 1956) mussten die Tatra-Werke erst einmal den Bau von Personenwagen unterbrechen und bauten nur Nutzfahrzeuge, denn der Staat verlegte die Produktion der Tatra-Pkws zu Skoda, dessen Personal gar nicht erfreut darüber war. Nachdem man den Fehler erkannt hatte, ging die Produktion zurück nach Koprivnice und der Luxuswagen 603 wurde dort gefertigt. Auch der Tatra 2-603 (die Einzelziffer gibt die Serie an) besaß eine stromlinienförmige, allerdings nun selbsttragende Karosserie mit ausgesprochen gutem cw-Wert, ein im Heck platziertes, luftgekühltes ohv V-Achtzylinderaggregat, eine Pendelachse hinten und Heckantrieb. Er verfügte über große Lufteinlässe an den Seiten und über eine riesige, zweigeteilte Panorama-Heckscheibe, lange vor der berühmten Split-Window-Corvette.

Die unabhängig aufgehängten Vorderräder saßen an Kurbellängslenkern und Schraubenfedern, die Hinterräder an einer Pendelachse mit Längslenkern und Schraubenfedern. Technisch blieb man beim bewährten Konzept. Kein anderes Auto konnte mit ihm und seiner aerodynamischen Form samt anfangs drei und später vier Frontscheinwerfern verwechselt werden.

Tatras waren auch im Sport erfolgreich

So fand man sie bei der überaus harten Rallye Liège-Rom-Liège immer auf den vorderen Plätzen und auch bei der Rallye Paris-Dakar konnte Tatra auf einen Sieg verweisen.

Die Stromlinien-Tatras besaßen allesamt nicht nur herausragende aerodynamische Werte, sondern auch eine gute Straßenlage. Auch der 603 ist trotz seines Heckmotorkonzepts keineswegs, wie befürchtet, eine Heckschleuder, sondern verhält sich erfreulich neutral. Angenehm verhält sich auch der geräuscharm, leise vor sich hin säuselnde, luftgekühlte 8 Zylinder im Heck. Sogar der prinzipbedingte Nachteil aller luftgekühlten Motoren – die schwache Heizung – konnte durch den Einbau einer Standheizung unter dem Sitz beseitigt werden. Zudem gewährleistete die geniale Luftführung ein schnelles Aufwärmen des Motors ohne das Heraufbeschwören von Gefahren durch eine Verminderung der Luftmenge.

Der 603 war ein Luxuswagen für die Privilegierten des Ostblocks

Fast alle Fahrzeuge wurden nicht regulär verkauft, sondern sie wurden zugeteilt. Im Ostblock und anderen sozialistischen Bruderländern wurde der 603 zum begehrten Statussymbol für die Mächtigen. Natürlich fuhr auch Honecker einen Tatra und sogar in Fidel Castros Fuhrpark soll sich ein Exemplar befunden haben. Dieser Tatra war ausschließlich ein Luxus für Privilegierte, der nur in ganz kleinen Stückzahlen hergestellt wurde. Beim Fahren kann man schon verstehen, warum er als einzige individuelle Alternative im Osten so begehrt war. Die produzierten winzigen Stückzahlen sicherten Exklusivität.

Fotos & Text: Marina Block

Technische Daten

Motor: ohv V-Achtzylinder-Heckmotor; luftgekühlt, 2 Kühlgebläse

Hubraum: 2472ccm

B x H: 75 mm x 70 mm

Verdichtung: 8,2:1

Leistung: 105 PS bei 5000 U/min

Höchstgeschwindigkeit: ca. 170 km/h

Getriebe: vollsynchronisiertes Vierganggetriebe mit Lenkradschaltung

Kupplung: Einscheiben-Trockenkupplung

Vorderradaufhängung: an Kurbellängslenkern, Schraubenfedern

Hinterradaufhängung: Pendelachse, Längslenker, Schraubenfedern

Antriebsart: Heckantrieb

Karosserie: selbsttragend, cw-Wert 0,36

Radstand: 2750 mm

Länge: 4975 mm

Breite: 1895 mm

Höhe: 1530 mm

Gewicht: 1470 kg

Verbrauch: ca. 12 l auf 100 km/h

Bauzeit: 1956 – 1975

Anzahl: 20422 Exemplare


Bilder

Informationen:

MarkeTatra
Model2-603
Baujahr1973

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