Fritz Cockerell war ohne Zweifel ein brillianter Konstrukteur mit vielen innovativen Einfällen, von denen allerdings nicht alle die Marktreife erreichten. Zwei seiner Konstruktionen erlangten hingegen weltweite Aufmerksamkeit: der „Rex am Riemen“ und das Sesselrad Megola mit Fünfzylinder-Sternmotor im Vorderrad und Monocoquerahmen mit tiefem Schwerpunkt
Das Vorderrad trieben übrigens beide Konstruktionen an. Beim kleinen Einzylinderzweitakt-Hilfsmotor Rex, der über dem Vorderrad angebracht wurde und selbiges über einen Riemen antrieb, handelte es sich um eine Gemeinschaftskonstruktion von Fritz Cockerell, Rudolf Schleicher (ehemals bei BMW), Emil Stiebling (ehemals bei DKW) und Max Seyffer in der Seyffer-Fertigungsgemeinschaft. Diese Konstruktion sollte in den späten 40er und frühen 50er Jahren sehr erfolgreich sein, denn der Rex am Riemen war in der frühen Nachkriegszeit einer der am häufigsten verwendeten Hilfsmotoren für Fahrräder und trug wesentlich zur damaligen Mobilisierung der Bevölkerung bei. Fahrradhilfsmotoren hatte Cockerell auch schon in den 20er Jahren konstruiert, war aber derzeit damit nicht so erfolgreich. Die zwischen 1921 und 1925 gebaute Megola mit ihrem revolutionären Monocoque-Rahmen und dem Sternmotor im 28“- Vorderrad war hingegen ein echtes Luxusprodukt und zeigte in der Findungsphase der Mobilität einen weiteren, interessanten Weg auf. Am Megola-Projekt arbeiteten Hans Meixner, Fritz Cockerell und Otto Landgraf mit, aus deren Initialen der Name Megola entstand. Mecola hätte nicht geklungen, deshalb wurde aus dem C in Cockerell ein G.
Die Konstruktion der Megola wurde vom Flugzeugbau inspiriert
In den 20er Jahren drängten viele Luftfahrt-Ingenieure, nachdem sie laut Versailler Vertrag erstmal keine Flugzeuge mehr bauen durften, in den Motorrad,- und Automobilbau, so auch der Konstrukteur Fritz Cockerell, der Anfang des Jahrhunderts Maschinist auf einem Luftschiff und später Chefmonteuer beim Bleriot-Flieger Wilde war.
Die selbstragende Stahlblech-Schalenbauweise des Megola-Rahmens und der Fünfzylinder-Sternmotor als Antriebsquelle kamen aus der Luftfahrttechnik
Umlaufmotoren wurden wegen der günstigen Kombination aus Leistungsfähigkeit und geringem Gewicht dank Luftkühlung auch noch Anfang der 20er Jahre in der Luftfahrt üblicherweise eingesetzt und die Monocoque-Bauweise war in der Luftfahrt damals zwar noch experimentell, konnte sich aber bald durchsetzten.
Der seitengesteuerte Fünfzylinder-Sternmotor trieb das Vorderrad direkt an. Da die Megola weder ein Schaltgetriebe noch eine Kupplung besaß, musste sie immer angeschoben werden, wenn man nicht eine Vorderradspeiche heruntertreten wollte. Dank Planetenübersetzung in der Nabe (gute Elastizität) ließ sich die Megola leicht anschieben
Cockerell hatte anfangs noch mit der Lage des Motors experimentiert und den Motor dann doch vom Hinterrad (PAX-Versuchsmotorrad) ins Vorderrad (Megola)verlagert. Das war nicht nur für die Gewichtsverteilung günstiger, sondern ermöglichte eine noch kompaktere Bauweise mit zentralem, neben dem Vorderrad unter der Achse platziertem Vergaser sowie feststehendem Zündmagneten auf der anderen Radseite, die die im Vorderrad rotierenden Zylinder über die Radnabe versorgten. Direkt rechts am Vorderrad befand sich auch der kleine Tank, der vom großen, im Rahmen integrierten Tank über eine Handpumpe befüllt werden wollte. Ein gleich geformter kleiner Tank auf der anderen Seite repräsentierte das Ölreservoir.
Die Megola, ein Luxusprodukt ihrer Zeit, war auch im Sport recht erfolgreich
1924 wurde mit ihr die Deutsche Meisterschaft errungen, und das gegen das BMW-Werksteam. Das Tourenmodell der Megola war übrigens im Gegensatz zum Sportmodell mit einer hinteren Blattfederung versehen. Gebaut wurden von der Megola angeblich 2000 Exemplare. Andere Annahmen gehen von weit weniger Exemplaren aus (so um die 700 Stück). Die abgebildete, originale Megola wurde nach einem Brandschaden wieder perfekt hergestellt. Ausgestellt wurde eine Megola in den 90er Jahren übrigens auch im Guggengheim-Museum (The Art of the Motorcycle).
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: sv Fünfzylinder-Gegenumlauf-Sternmotor im Vorderrad
Hubraum: 640 ccm
B x H: 52 x 60 mm
Leistung: 14 PS bei 4500 U/min
Vergaser: Pallasvergaser
Höchstgeschwindigkeit: 100-110 km/h
Zündung: Magnetzündung
Antriebsart: Direktantrieb des Vorderrads über Planetenradsatz
Rahmen: selbsttragender Schalenrahmen
Vorderradaufhängung: Trapezgabel mit Schwinghebeln, Blattfederung
Hinterradaufhängung: starr, Blattfederung
Bremsen: Halbnabenbremsen
Räder: 28“
Gewicht: 130 kg
Bauzeit: 1921-1925
Stückzahl: 700-2000 Ex.