Brennabor - Kinderwagen (1907)

Die vier Söhne des seit 1835 in Brandenburg an der Havel ansässigen Korbmachermeisters Eduard Reichstein gründeten 1871 das Unternehmen Gebrüder Reichstein, das Kinderwagen herstellte und bald unter dem Namen „Brennabor“ firmierte. Brennabor baute nicht nur Kinderwagen, sondern ab 1888 unter diesem Markennamen auch Fahrräder und dann Motorräder sowie Automobile. Von 1923 bis 1925 avancierte Brennabor sogar dank der Einführung der Fließbandproduktion (Brennabor war der erste deutsche Hersteller, der das Fließband einführte) zum größten Autoproduzenten Deutschlands. Er war auch einer der ersten, der neben dem Bau größerer Modelle auch auf die Kleinwagenproduktion setzte. Auch für den Sport hatte das Unternehmen viel übrig und gründete sehr früh einen eigenen Rennstall

Stubenwagen für Babies hatte schon ihr Vater hergestellt. Ihre ersten Kinderwagen fertigten die vier Brüder, die allesamt Korbmacher wie ihr Vater waren, 1869 noch nicht komplett selbst, sondern bauten erst einmal nur die Aufbauten aus Peddigrohr. Das Fahrwerk aus Metall ließen sie bei einem benachbarter Schlosser fertigen. Nach einigen 100 Exemplaren wurde der Bau wegen des Deutsch-Französischen Krieges erst einmal eingestellt. Eine industrielle Fertigung begannen die Brüder dann ab 1871. Nun wurden die Kinderwagen komplett von ihnen hergestellt. Ihr Ziel war es, zweckmäßige, schöne und erschwingliche Kinderwagen in großer Zahl zu bauen.

Weltweit bekannt und gefragt wurden die Kinderwagen der Reichsteins nach der Weltausstellung in Wien 1873

Bei dieser frühen Ausstellung industrieller Produkte war alles, was Rang und Namen im industriellen, technischen und wissenschaftlichen Bereich hatte, vertreten. Für ihre Kinderwagen errangen die Brüder in Wien die höchste Auszeichnung für industrielle Erzeugnisse. Damit waren sie auf einen Schlag weltweit bekannt und im Gespräch, so dass sie ihre Kinderwagen schon bald dank der Nachfrage auch in andere Länder exportieren konnten. Später gingen ihre Produkte nicht nur nach ganz Europa, sondern auch nach Australien, Südamerika, die USA und China. Bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts verkaufte Brennabor jährlich über 300000 Kinder,- und Puppenwagen und zählte damit zu einem der größten Hersteller Europas. Großen Erfolg hatte das Unternehmen vor dem ersten Weltkrieg unter anderem durch die Einführung eines Klappkinderwagens. Zwar hatten die Reichsteins den Klappkinderwagen nicht erfunden, aber sie waren die ersten, die ihn in Deutschland anboten und sich ein Patent darauf sicherten. Andere Innovationen waren etwa die „Öl-losen“ Lager, die Brennabor 1935 patentieren ließ. Fließbandarbeit wurde bei Brennabor auch in der Kinderwagenproduktion bereits in den frühen 20er Jahren eingeführt, nachdem ein Sohn von Eduard Reichstein 1920 vom Besuch amerikanischer Werke zurückkehrte.

Zur Zeit der Weltwirtschaftkrise änderte sich vieles bei Brennabor

Aus finanziellen Gründen verursacht durch die Weltwirtschaftskrise, eine immer größer werdende Konkurrenz und einige Fehlentscheidungen musste das stark angewachsene Unternehmen 1931 Insolvenz anmelden und wurde 1932 in die Brennabor Aktiengesellschaft umfirmiert. Bis etwa 1934 wurden noch Automobile gebaut, danach bis 1940 nur noch Fahrräder, Kinderwagen und Leichtmotorräder mit Fichtel & Sachs Einbaumotoren. Während des Krieges war Brennabor ein Rüstungsbetrieb mit sehr vielen Zwangsarbeitern aus ganz Europa. Nach dem Krieg wurde das Unternehmen enteignet und die noch verwertbaren Anlagen als Reparationsleistung demontiert.

Das abgebildete, recht ansprechend gestaltete Exemplar aus der Zeit kurz nach der Jahrhundertwende besitzt ein besonders interessantes Detail

Die hinteren Räder sind nämlich mit kleinen, schmalen Kotflügeln versehen. Sie waren dazu gedacht, die Kleider der Mütter oder Kindermädchen vor Verschmutzungen zu schützen. Dieses nützliche Accessoire, das als Zubehör angeboten wurde, war bald sehr gefragt, obwohl es mit 1,50 Reichsmark sehr teuer war. Im Inneren des geschmackvoll verzierten Wagenkörpers aus Holz befand sich eine gelochte Holzplatte, die herausnehmbar war und unter der sich ein Kasten für einen „heißen Stein“ befand. In noch früheren Zeiten wurden solche gelochten Platten auch als Urinablauf eingesetzt, allerdings nicht mehr Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Schubvorrichtung war mit dicken Keramikrollen bestückt.

Fotos & Text: Marina Block

Bilder

Informationen:

MarkeBrennabor
ModelKinderwagen
Baujahr1907

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