unbekannter Hersteller - Kinderwagen (60-70er Jahre)


Die große Verbreitung des Kinderwagens war letztendlich der Industrialisierung zu verdanken

Vor dem Zeitalter der Industrialisierung transportierte die breite Masse der Bevölkerung ihre Babies und ihre Kleinkinder entweder in Tragetüchern oder in Schubkarren (kamen etwa ab dem Jahr 1200 auf). Erste kutchenähnliche Gebilde oder auch Holzwägelchen zum Ziehen gab es dann zwar schon in der Frühen Neuzeit, doch waren das für den Adel oder für einige reiche Bürger angefertigte Einzelstücke. Die erste Fabrik zur Herstellung von Kinderwagen entstand erst in den 1840er Jahren in England, wo Charles Burton seine anfangs dreirädrigen „Perambulatoren“ in Menge herstellte. Geeignet waren diese Kinderwagen allerdings nur für Kleinkinder, die schon sitzen konnten, aber nicht für liegende Babies. Die ersten zu schiebenden Kinderwagen für Babies baute der Stellmacher Ernst Albert Naether in Zeitz. Hier entstand bald ein blühendes Zentrum der Kinderwagenproduktion mit einer großen Anzahl an Kinderwagen-Herstellern. Ein weiteres Zentrum dieser Branche entwickelte sich im Mittel,- und Oberfränkischen, zu denen die Städte Rothenburg ob der Tauber oder auch Redwitz zählten. Wichtig für die Kinderwagenhersteller waren in den 20er, 30er und 40er Jahren auch die Korbproduzenten, denn sie fungierten meist als Zulieferer für diesen Industriezweig. In Deutschland gab es eine enorme Vielfalt an Kinderwagenbauern, die über das ganze Land verteilt waren und sich in einigen Gegenden, wie beschrieben, ballten. Traditionell siedelte sich in Gegenden, in denen eine etablierte Holz-, und Möbelindustrie existierte oder in Gegenden, in denen das Korbflechterhandwerk zu Hause war, auch der Kinderwagenbau an. Auch aus Stellmachereien und aus eisenverarbeitenden Betrieben ging er gelegentlich hervor.

In den 60er Jahren wurden die Kinderwagen komfortabler und funktioneller, bauten höher, besaßen größere Räder, ließen sich leichter handhaben und praktisch zusammenfalten

In den 40er und 50er Jahren dominierten niedrig gebaute Kinderwagen mit kleinen Rädern die Szene. Außerdem orientierte man sich beim Design der Kinderwagen stark am Automobildesign mit Kotflügeln, Stoßstangen und viel verchromtem Zierat. Zudem hatte man die Kinderwagen auch technisch weiter entwickelt und ihnen bequeme Federungssysteme gegönnt. Auch waren sie nun praktischer ausgelegt und ließen sich einfacher zusammenklappen und im Auto verstauen. Die technische Entwicklung wurde in den 60er Jahren perfektioniert und in den 70er Jahren weitergeführt. In Sachen Formgebung hatte man sich allerdings zu dieser Zeit vom Automobildesign in den meisten Fällen verabschiedet und die Kinderwagen weit nüchterner aber auch ergonomischer und einfacher in der Handhabung gestaltet. Das zeigte sich auch am abgebildeten Kinderwagen eines unbekannten Herstellers. Er verfügte über große Räder mit Vollgummibereifung, einen Scherenklappmechanismus und eine hoch liegende, abnehmbare und gut gepolsterte Baby-Wanne aus mit Kunststoff ausgekleidetem Korbgeflecht. Die Wanne war mit hängenden Metallgriffen versehen. Ein großes, abklappbares Verdeck und eine metallene Korbablage zwischen den Rädern für den Einkauf waren ebenfalls vorhanden. Die schlichte Form des Korpus, die den Kinderwagen trotz seiner Größe handlich wirken ließ, sowie der Materialmix aus Korbgeflecht und Cord-Verdeck waren Elemente einer Designsprache der späten 60er und 70er Jahre.

Fotos & Text: Marina Block

Bilder

Informationen:

Markeunbekannter Hersteller
ModelKinderwagen
Baujahr60-70er Jahre

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