Kinderwagen wurden natürlich in allen frühen Industriestaaten der Welt gebaut. England war bezüglich der industriellen Fertigung von Kinderwagen der Vorreiter, Deutschland und andere europäische Staaten folgten recht bald. Auch in Nordamerika wurden im 19. Jahrhundert nicht nur europäische Kinderwagen importiert, sondern auch selbst gebaut. Womöglich ging sogar von hier die Inspiration zum größer angelegten Bau von Kinderwagen aus
Einer der ersten, die in Nordamerika Kinderwagen bauten, war Benjamin Potter Crandall. Bereits in den 1830er Jahren erfand er Kinderwagen zum Schieben. Sein Sohn Jesse Armour Crandall eiferte seinem Vater nach, entwickelte erst das Grundmodell weiter und dann ganz neue Modelle. Er avancierte bald zu einem namhaften Kinderwagen,- und Spielzeughersteller. In seiner 75jährigen Erfinderlaufbahn kam er auf 150 Patente. Für den Kinderwagen erfand er als erster seiner Branche eine Bremse, er besaß Patente auf Schirmhalterungen und auf Sonnenschutzsysteme. In England wurde Queen Victoria auf seine Produkte aufmerksam und kaufte gleich drei Exemplare der Crandall-Kinderwagen. Möglicherweise hatte sie damals auf diese Weise das Interesse bei ihren Landsleuten geweckt. Schließlich schliefen auch die englischen Erfinder nicht und so ließ sich Charles Burton seinen Kinderwagen 1853 in London patentieren. Er errichtet als erster eine Kinderwagen-Fabrik in Europa und stellte Kinderwagen serienmäßig her.
Wie das Beispiel von Queen Victoria zeigte, waren Kinderwagen in ihrer Frühzeit nur etwas für sehr reiche Leute. Erst im Laufe der industriellen Revolution und der schließlich massenweise gefertigten Kinderwagen verloren sie allmählich den Status, lediglich ein Luxusprodukt für die High Society zu sein
Ziehwägelchen mit Korbaufbau aus dichtem Korbgeflecht und Holz waren bereits im 16. und 17. Jahrhundert bekannt, wenn auch äußerst selten, denn die meisten Menschen waren arm und transportierten ihre Kleinkinder in Tüchern oder, wenn schon auf Rädern, dann im Schubkarren. Speziell für den Transport von Kleinkindern entwickelte, aber doch relativ einfach konstruierte Wagen entstanden nur in raren Einzelanfertigungen in Auftrag sehr wohlhabender Bürger. Weit aufwändigere Konstruktionen, die vom Kutschenbau inspiriert waren und mit viel Metall und dekorativen Korbverzierungen auskamen, gab es häufiger in Adelskreisen des 18. Jahrhunderts. Ein echter Durchbruch im Kinderwagenbau fand in Europa aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts statt, als Charles Burton in London die erste Kinderwagenfabrik baute. Allerdings stellte er damals dreirädrige Wagen her, die er Perambulatoren nannte und in denen die Kleinkinder, ähnlich wie heute in den dreirädrigen Sportwagen, in Fahrtrichtung saßen. Für Babys waren diese Fahrzeuge nicht konstruiert. Mit vierrädrigen Gefährten, die für Babys geeignet waren, über einen Korb mit Verdeck verfügten und anfangs zum Ziehen aber bald auch zum Schieben waren, kam im 19. Jahrhundert als erster der Zeitzer Stellmacher Ernst Albert Naether heraus. In den folgenden Jahrzehnten wurde der Kinderwagen stetig weiter entwickelt. Die nächste Revolution brachte dann in den 60er Jahren der leichte und faltbare Buggy des Flugzeugingenieurs Owen McLaren.
Ein früher Kinderwagenhersteller in Nordamerika neben Crandall war die F.A. Whitney Carriage Company. Bald sollten viele andere folgen
Francis Austin Whitney hatte zusammen mit seinem Cousin Francis Wolfe Whitney das Unternehmen, das Kinderwagen konstruierte, 1858 gegründet. Es ist nicht ganz klar, ob nun Crandall oder Whitney als erster Produzent in großem Stil industriell produzierte. Einer, der bald dazu stoßen sollte, war S.H. Kimball aus Bosten, der ab 1868 Kinderwagen aller Art anbot.
Der Hersteller des abgebildeten, amerikanischen Exemplars ist nicht bekannt. Solche pfiffigen Konstruktionen mit Sitzmöglichkeiten für zwei Kleinkinder gab es in Nordamerika allerdings schon recht früh
Da die Anzahl an Kindern damals hoch lag, waren solche Konstruktion sicher gefragt. Das abgebildete Modell von 1880, das viele gedrechselte Holzteile, Schmiedeteile und Leder als Material für die Sitzfläche und die abgepolsterte sowie verst
Fotos & Text: Marina Block