Fischer - Sportkinderwagen (1955)

In den 50er und 60er Jahren gab es eine enorme Vielfalt an Kinderwagenbauern in Deutschland, die über das ganze Land verteilt waren. Traditionell siedelte sich in Gegenden, in denen eine etablierte Holz-, und Möbelindustrie existierte oder in Gegenden, in denen das Korbflechterhandwerk zu Hause war, auch der Kinderwagenbau an. Aus Stellmachereien und aus eisenverarbeitenden Betrieben ging der Kinderwagenbau gelegentlich ebenfalls hervor. Zwei große Zentren des Kinderwagenbaus mit vielen Herstellern waren Zeitz in Sachsen-Anhalt und Städte in Mittel,- und Oberfranken. Aber auch im Norden und ganz im Süden der Republik gab es Hersteller. Einer davon war Fischer aus Dachau

Einer der ersten deutschen Kinderwagenproduzenten allerdings war Ernst Albert Naether aus Zeitz, der sein Unternehmen 1846 gründete. In Zeitz kam es, inspiriert von der englischen Kinderwagenindustrie, zu einem regelrechten Boom an Kinderwagenproduzenten. 1875 machten schon 13 Zeitzer Hersteller von sich Reden. Ernst Albert Naether war der erste Hersteller, der für Babys geeignete Kinderwagen mit Liegefläche gebaut hatte. Es waren hohe Gebilde mit großen Rädern, die über einen Korb mit Verdeck verfügten und anfangs zum Ziehen aber bald auch zum Schieben waren. Die erste Kinderwagenfabrik entstand hingegen im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert in England. Charles Burton baute ab 1840 als erster in großem Stile Kinderwagen, die allerdings nicht für Babys, sondern für sitzende Kleinkinder gedacht waren. Diese „Perambulator“ genannten Gefährte zum Schieben besaßen drei Räder, wie die heutigen Sportwagen. Kinderwagen mit kleinen Rädern und langen Schubvorrichtungen gab es ab den späten 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Gebaut wurden sie bis in die späten 50er und manche Sportversion sogar bis in die 60er Jahre hinein, wobei man sich ab den 30er aber vor allem in den 40er und 50er Jahren immer stärker am Automobildesign orientierte und die Kinderwagen zudem auch technisch weiter entwickelte und ihnen bequeme Federungssysteme gönnte. Anfangs waren die Sitz-oder Liegeflächen der Kinderwagen meist aus Weidengeflecht. Später lösten Holz und in den 20er Jahren Blech- und Aluminiumkästen den Weidenkorb ab. Nach dem 2. Weltkrieg fuhren die Kleinen auf Riemen- und Rohrfedergestellen und mit Ballonbereifung schon recht komfortabel.

Niedrige Sportkinderwagen für Kleinkinder waren in den 50er und 60er Jahren sehr gefragt und wurden von fast allen Kinderwagenherstellern angeboten. Manche von ihnen waren sogar recht avantgardistisch geformt, aus leichten Materialien hergestellt und bereits damals schon aus Modulen zusammengesetzt, um leicht umfunktionierbar zu sein, wie der Reisekinderwagen von Fischer

Der abgebildete Sportwagen von Fischer besaß wie die meisten Kinderwagen in den 50er und 60er Jahren eine vom Automobildesign inspirierte Formgebung mit ausgeprägten und großvolumigen Kotflügeln für die kleinen Scheibenräder. Das Besondere an diesem Kinderwagen war allerdings seine leichte Bauweise und die Funktionalität der einzelnen Elemente. Der Aufbau des Sportwagens bestand aus einem leichten Aluminium-Rohrgerüst, das mit einem witterungsbeständigen Textilmaterial (beschichtetes Leinengewebe) mittels Laschen und Druckknöpfen bespannt war. Die Sitzfläche für das Kleinkind bestand aus diesem Tuch genauso wie das Verdeck, das wie eine Tragetasche geformt war. Demontierte man das Verdeck, so konnte man es als Tragetasche für das Kind verwenden. Bei dieser Konstruktion von Fischer wurde großer Wert auf eine möglichst leichte, flexible und funktionale Bauweise gelegt. Die Formgebung machte mit ihren unausgewogenen Proportionen hingegen einen eher ungelenken Eindruck .

Fotos & Text: Marina Block

Bilder

Informationen:

MarkeFischer
ModelSportkinderwagen
Baujahr1955

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