Van Werven - Kinderwagen (1955)

Die niederländische Kinderwagenmarke Van Werven aus Meppel ging in den 20er Jahren aus einer Schmiede hervor, die der Vater des Gründers bereits seit 1883 auf dem Groenmarkt in Meppel betrieb

Marinus van Werven hatte den familientypischen Unternehmergeist geerbt und gründete wie auch seine drei Brüder einen Betrieb. Allerdings konzentrierte er sich nicht wie Gerrit, Freek und Jan auf die Fahrradproduktion, sondern auf den Kinderwagenbau. Sein 1923 ins Handelsregister eingetragene Geschäft begann bald zu florieren und in den 30er Jahren beschäftigte er schon über 50 Mitarbeiter. Die Qualität und auch das Design seiner Produkte sprach für sich, so dass Van Werven 1938 sogar zum Hoflieferanten aufstieg und den Kinderwagen für Prinzessin Beatrix stellte. Die guten Beziehungen zum Königshaus blieben bestehen und auch die 1947 geborene Prinzessin Mareijke wurde in einem Van Werven-Kinderwagen spazieren gefahren.

Van Werven-Kinderwagen zeichneten sich nicht nur durch ihre gute Handhabung und Qualität, sondern auch durch ihr Design aus

Natürlich hatte die bequeme Lage des Babys, die perfekte Funktionalität des Kinderwagens, seine möglichst leichte Handhabung, seine Sicherheit und die gute Qualität und Verarbeitung der verwendeten Materialien immer Vorrang. Allerdings sollte der Kinderwagen, der von Van Werven oft ein Luxusmodell war, auch von seiner ästhetischen Gestaltung her einen besonderen Stil ausdrücken. Das war auch bei dem abgebildeten Exemplar von 1955 der Fall. So war der komfortabel abgefederte und demontierbare Wagenkörper elegant geschwungen geformt und mit dekorativen Elementen reichhaltig verziert. Sogar die komplette Verkantung des Wagenkörpers besaß eine Chromumrandung als Stoßschutz. Das Exemplar aus den 50er Jahren zeigte deutliche Bezüge zum Automobildesign, war mit verchromten Stoßstangen und Schutzblechen versehen und mit einer geschmackvoll angeordneten Chromverzierung samt Reling und Haltegriff bestückt. Marinus van Wervens Sohn, der in den 50er Jahren in den Betrieb einstieg, modernisierte das Unternehmen 1957. In den späten 60er Jahren verringerte sich jedoch der Absatz der Produkte immer mehr (es heißt wegen der wachsenden Konkurrenz aus den damaligen Ostblockstaaten), so dass das Unternehmen 1970 seinen Betrieb einstellen musste.

Auch in den Niederlanden gab es viele Kinderwagenproduzenten

Neben Van Delft, dem ältesten Kinderwagenproduzenten der Niederlande (1870 gegründet, hervorgegangen aus einem Wagenbauerbetrieb) und Jonkers gehörten auch Van Werven, Riemersma, Koelstra, Mekiwa oder Mutsaerts zu den frühen Produzenten. Einige von Ihnen kamen ursprünglich aus der Möbelproduktion, andere wie Jonkers gingen aus Reetgrasverwertern und Korbflechtern hervor und auch ursprüngliche Stellmacher verlegten sich auf den Kinderwagenbau.

Der serienmäßige Bau von Kinderwagen begann erst mit dem Zeitalter der Industrialisierung

Ziehwägelchen mit Korbaufbau aus dichtem Korbgeflecht und Holz waren bereits im 16. und 17. Jahrhundert bekannt, wenn auch äußerst selten, denn die meisten Menschen waren arm und transportierten ihre Kleinkinder in Tüchern oder, wenn schon auf Rädern, dann im Schubkarren. Speziell für den Transport von Kleinkindern entwickelte, aber doch relativ einfach konstruierte Wagen waren zu dieser Zeit dem wohlhabenden Bürgertum vorbehalten und entstanden nur in raren Einzelanfertigungen. Weit aufwändigere Konstruktionen, die vom Kutschenbau inspiriert waren und mit viel Metall und dekorativen Korbverzierungen auskamen, gab es häufiger in Adelskreisen des 18. Jahrhunderts. Ein echter Durchbruch im Kinderwagenbau fand aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts statt, als Charles Burton in London die erste Kinderwagenfabrik baute. Allerdings stellte er damals dreirädrige Wagen her, die er Perambulatoren nannte und in denen die Kleinkinder, ähnlich wie heute in den dreirädrigen Sportwagen, in Fahrtrichtung saßen. Für Babys waren diese Fahrzeuge nicht konstruiert. Mit vierrädrigen Gefährten, die für Babys geeignet waren, über einen Korb mit Verdeck verfügten und anfangs zum Ziehen aber bald auch zum Schieben waren, kam als erster der Zeitzer Stellmacher Ernst Albert Naether heraus. Kinderwagen mit kleinen Rädern und langen Schubvorrichtungen gab es ab den späten 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Gebaut wurden sie bis in die späten 50er Jahre hinein, wobei man sich ab den 30ern aber vor allem in den 40er und 50er Jahren immer stärker am Automobildesign orientierte und die Kinderwagen zudem auch technisch weiter entwickelte und ihnen bequeme Federungssysteme gönnte. Anfangs waren die Sitz-oder Liegeflächen der Kinderwagen meist aus Weidengeflecht. Später lösten Holz und in den 20er Jahren Blech- und Aluminiumkästen den Weidenkorb ab. Nach dem 2. Weltkrieg fuhren die Kleinen auf Riemen- und Rohrfedergestellen und mit Ballonbereifung schon recht komfortabel. Für die Sicherheit sorgten Bremsketten oder Radklammern. In den 50er Jahren kam dann die einfacher zu bedienende Feststellbremse auf.

Fotos & Text: Marina Block

Bilder

Informationen:

MarkeVan Werven
ModelKinderwagen
Baujahr1955

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