In einem Gartenhäuschen auf dem Gelände der elterlichen Villa (Knopffabrikanten) in Boulogne-Billancourt bei Paris baute der 21jährige Louis Renault 1898 sein erstes Automobil
Der junge Renault, der es nicht so sehr mit der Schule hatte, dafür aber ein ungeheuer großes Interesse und Verständnis für Technik und Elektrizität aufbrachte, hatte eine Voiturette entwickelt, die von einem 270 ccm De Dion-Einzylindermotor mit 1,75 PS angetrieben wurde.
Renaults besaßen schon früh ein Dreiganggetriebe und eine Kardanwelle, die Louis patentieren ließ. Diese und andere wegweisende Erfindungen, die bald von allen genutzt wurden, sicherten dem zukünftigen Unternehmen finanzielle Unabhängigkeit
Mit seinen Brüdern Marcel und Fernand gründete er 1899 das Unternehmen Renault Frères, in dem Louis anfangs für die Technik und neben seinem Bruder Marcel auch für den Sport zuständig war. Gleich von Anfang an wurden die Brüder mit Aufträgen überhäuft. Schließlich hatte Louis‘ Fahrt auf der steil bergan führenden Rue Lepic (13% Anstieg) zum Montmartre mit seiner Voiturette die Leistungsfähigkeit seines Automobils hinreichend bewiesen und kräftig die Werbetrommel für das Fahrzeug von Renault geschlagen. Louis unterstrich, dass diese Leistung ohne seinen Direktantrieb nicht möglich gewesen wäre. Im Laufe der Zeit ließ sich Louis Renault immer mehr geniale technische Problemlösungen einfallen, die das Unternehmen patentieren ließ und so eine finanzielle Unabhängigkeit von Geldgebern und Banken sicherte. Bereits 1902 entwickelte er einen eigenen Motor mit einer Leistung von 24 PS. Auch ein Turbolader zählte zu seinen neusten Erfindungen. Neben den genannten Patenten erfand Louis bald die einschraubbare Zündkerze, verschieden Arten von Innenbackenbremsen, den Fünfpunkt-Sicherheitsgurt, den ersten V8-Zylindermotor für ein Flugzeug und etliches mehr.
Die Geschäfte liefen bei Renault so gut, dass sogar schon 1901 Außendienstmitarbeiter in vielen großen Städten weltweit angeheuert wurden. So gab es Außenstellen in fast allen europäischen Großstädten und auch bald in New York, Buenos Aires oder Chicago.
Um Werbung für ihre Automobile zu machen, fuhren Louis und sein Bruder Marcel Rennen, denn sie hatten den Sport als ideale Marketing-Bühne für ihre Produkte erkannt. In Frankreich und auch Belgien starteten sie bereits ab 1899 bei vielen frühen Rennen
Auch auf diesem Gebiet waren sie sehr erfolgreich, siegten beim Stadt-zu-Stadtrennen von Paris nach Trouville und hatten Erfolg bei den Rennen Paris-Ostende und Paris-Rambouillet-Paris. Auch die Fahrten Paris-Wien oder Paris-Berlin gewann Renault. Ab 1902/03 wurden eigene Motoren mit Turboaufladung in die Rennwagen eingebaut, die viele Siege einfuhren.
Ein Drama bahnte sich im Mai 1903 beim viertägigen Rennen Paris-Madrid an, das daraufhin bei Bordeaux gestoppt wurde
In diesem vom Automobile Club de France und dem spanischen Automobilklub Automóvil Club Español organisierten Rennen traf die Familie Renault ein Schicksalsschlag. Gleichzeitig war das auch das Ende der Stadt-zu-Stadt Rennen generell, denn man hatte deren große Gefährlichkeit erkannt. Bei diesem Rennen kam es nämlich zu etlichen tödlichen Unfällen, bei denen insgesamt acht Menschen starben und viele Zuschauer verletzt wurden. Unter den Toten war auch Marcel Renault, der zuerst in Führung lag und dann vermisst wurde bis die Kunde eintraf, dass er bei Couhé Vérac verunglückt war. Auf dem Foto wurde Louis Renault gerade von dem Unglück berichtet. Nach diesem Ereignis wurden derartige Rennen auf öffentlichen Straßen untersagt und von besser abgesicherten Rundstreckenrennen abgelöst. Louis Renault hörte nach dem Tod seines Bruders damit auf Rennen zu fahren und engagierte stattdessen andere Rennfahrer für Renault.
Nach dem Unfalltod seines Bruders Marcel und nachdem 1909 auch sein Bruder Fernand durch eine Krankheit verstorben war, musste Louis neben seiner Konstrukteurs-Tätigkeit auch die Firmenleitung des mittlerweile schon ziemlich herangewachsenen Betriebes übernehmen. Der ganz große Durchbruch gelang 1905 als Renault den Auftrag erhielt, 250 Taxis für ein Pariser Transportunternehmen zu bauen
In den nächsten Jahrzehnten näherte sich seine patriarchalische Art, das Unternehmen zu leiten, derjenigen des Amerikaners Henry Ford an. Er sah in Fahrzeugen für die breite Masse, die einfach, gut verarbeitet, solide und zu einem vernünftigen Preis zu haben waren, die Zukunft. Das hielt ihn allerdings keineswegs davon ab auch große und teure Automobile, Nutzfahrzeuge, bald auch Flugzeuge, Lokomotiven oder Bootsmotoren zu bauen. Renaults Produktpalette war bald breit gefächert. Auch die Unabhängigkeit seines Unternehmens war ihm überaus wichtig, so dass er fast alles selbst herstellen ließ, um auf möglichst wenige Zulieferer angewiesen zu sein. 1929 baute er auf der Seine-Insel Séguin ein riesiges Werk nach dem Vorbild Henry Fords mit dem längsten Montageband außerhalb der USA auf. Auch mit den Gewerkschaften stand er wie der Amerikaner auf keinem guten Fuß. Im zweiten Weltkrieg musste Renault für die Deutschen Panzer reparieren und Lastwagen bauen. Zu dieser Zeit beaufsichtigte der Daimler-Konzern das Unternehmen Renault. Nach der Befreiung von Paris wurde Louis Renault als Kollaborateur (Fotos von Louis Renault zusammen mit Hitler und Göring auf der Internationalen Weltausstellung 1939, nie Kontakt zum französischen Widerstand aufgenommen, Gewinnmaximierung unter deutscher Regie, etc.) angeklagt und inhaftiert. Er starb Ende 1944 eines bis heute nicht wirklich geklärten Todes. Die einen meinen, er sei an einer Harnvergiftung gestorben, die anderen gehen von den Folgen einer Misshandlung also von Mord aus. Als Kollaborateur verurteilt wurde Renault zwar nie, doch nach dem Krieg wurde das Großunternehmen Renault dennoch sofort verstaatlicht.
Fotos & Text: Marina Block