Mercedes-Benz - Typ 460 Nürburg (1930)

Horchs Erfolg brachte Daimler-Benz in Zugzwang

Als Horch 1926 mit seinem neuen 8-Zylinder in der gehobenen Fahrzeugklasse einen Verkaufshit landete, musste sich Daimler Benz dringend etwas einfallen lassen. Pikanterweise war der Konstrukteur des Horch 8 auch noch Paul Daimler, der Sohn des Gründers von Mercedes, der seine Firma verlassen hatte, weil er seinen 8-Zylinder dort nicht verwirklichen durfte.

Seinen Platz als Chefkonstrukteur in Stuttgart hatte mittlerweile Ferdinand Porsche übernommen, der nun etwas Vergleichbares liefern mußte. Heraus kam dabei 1928 der „Nürburg“, der seinen Namen nicht wegen sportlicher Meriten erhielt, sondern weil er in der Erprobungsphase einen 20.000 km-Dauertest auf dem Nürburgring absolvierte.

Die erste Nürburg-Version machte viele Probleme

Da Porsche nicht viel Zeit blieb, stampfte er den Nürburg ziemlich schnell aus dem Boden. Der Motor war ein seitengesteuerter, fest im Chassis verschraubter und laufruhiger 4,6 l Reihenachtzylindermotor mit neunfach gelagerter Kurbelwelle und Schwingungsdämpfer. Das Fahrwerk bestand aus einem Preßstahlrahmen, Starrachsen und Halbelliptikfederung. Obwohl der Nürburg den Dauertest gut überstand, gab es mit ihm derart viele Probleme, dass es zum Krach kam und Porsche die Firma verlassen mußte. Danach übernahm die Mannschaft um Hans Nibel die intensive Überarbeitung des Nürburg, aus dem nun ein enorm zuverläßiges Fahrzeug entstand. Eine Chance gegenüber dem Horch 8, der sich weit besser verkaufte, hatte der Nürburg mit seiner konventionelleren Technik aber auch dann nicht.

Für die Bedienung des Nürburg war bemerkenswert wenig Kraft nötig, wenn man nicht im Stand zu lenken gedachte. Allerdings erforderte das unsynchronisierte Vierganggetriebe eine außergewöhnlich exakte Zwischengasdosierung beim Zurückschalten, denn der Motor und damit die Drehzahl war kaum zu hören.

Die Holzspeichenräder wurden bis zum Produktionsende beibehalten. Damit war der Nürburg, dessen Reisegeschwindigkeit bei 70 km/h und Höchstgeschwindigkeit bei 100 km/h lag, das letzte Auto der Welt, das so ausgerüstet war. Die Räder waren mit etwas deplatzierten Rennzentralverschlüssen versehen. Abbremsen ließ sich das schwere Fahrzeug recht leicht durch die Bosch-Dewandre-(Servo)Bremse, eine mit Saugluftunterstützung arbeitende, mechanische Gestängebremse. Noch heute freut sich der TÜV über die gute Wirkung und leichte Nachstellbarkeit durch Handräder. Alle Schmierstellen am Chassis wurden durch eine Pumpe am Getriebe mit Öl aus dem Ölsumpf des Motors versorgt, sobald sich das Fahrzeug bewegte. Die Federn wurden von Ledergamaschen geschützt. Dank dieser Bauweise ist an unserem Wagen kaum Verschleiß aufgetreten, obwohl er bis heute ununterbrochen zugelassen war. Feinheiten, wie ein abschließbarer Schalthebel und ein vom Motor angetriebener Kompressor für das Aufpumpen der Räder wurden damals übrigens erwartet. Schließlich kostete allein das Chassis RM 14.000,-- !
Unser Wagen ist der einzige Nürburg, den es mit einer Transformationscabriolet-Karosserie von Gläser aus Dresden gibt, der Topadresse im deutschen Karosseriebau damals

Er läßt sich ganz geschlossen oder ganz offen, mit oder ohne Trennscheibe zum Fahrer und geschlossen mit offenem Fahrerabteil bewegen. „F“ stand bei Mercedes für ein Cabriolet mit 4 Türen und 6 Seitenfenstern, was als besonders vornehm galt.
Dass die Chauffeure im Freien saßen, war übrigens keine bedauernswerte Sache, sondern der enormen Hitze geschuldet, die der große Motorblock entwickelte. So war es schlicht angenehmer, luftig zu sitzen, was durch eine ausstellbare Frontscheibe und weitere Lüftungsklappen noch gefördert wurde. Außerdem war es sicherer, denn man konnte von hinten kommende Fahrzeuge hören, ein Rückspiegel war damals nicht allgemein üblich. Für die hinten sitzenden Passagiere (maximal 5) war hingegen eine geschlossene Kabine angenehmer, weil sie sonst in extremer Zugluft hätten sitzen müssen.

 Der gute mechanische Zustand machte die Restauration einfach

Knarrende Holzspeichen,- europäisches Hartholz schrumpfte leichter als etwa amerikanisches Hickoryholz-, und die ungewöhnliche schwarz-lila Lackierung bereiteten die größten Probleme. Die richtige Farbzusammensetzung fand dann aber der Farbcomputer einer Lackfirma anhand eines Fleckchens Originallack unter dem Windschutzscheibenrahmen heraus.

Lange Reisen sind auch heute kein Problem für den Nürburg, der nach der Restauration wieder über 20000 km zurückgelegt hat, davon zweimal über die Schweizer Alpen.

Fotos & Text: Marina Block


Technische Daten Mercedes-Benz 460 Nürburg


Motor: sv Reihenachtzylinder

Hubraum: 4622 ccm

B x H: 80 x 115 mm

Leistung: 80 PS bei 3400 U/min

Verdichtung: 5:1

Vergaser: Flachstromvergaser Solex 40 MOHRT

Höchstgeschwindigkeit: ca. 100 km/h

Getriebe: Vierganggetriebe

Kupplung: Mehrscheibentrockenkupplung

Radaufhängung: Starrachsen mit Halbfedern vorn und Underslung-Halbfedern hinten

Bremsen: mechanische Trommelbremsen an allen Rädern mit Saugluftunterstützung nach Bosch/Dewandre

Handbremse: mechanisch auf die Hinterräder

Chassis:Presstahlrahmen

Gewicht: ca. 2250 kg

L x B x H: 5140 x 1820 x 1790 mm

Räder: 20“ Holzspeichenräder mit zentralen Schnellverschlüssen

Bauzeit: 1928-1933

Stückzahl: 460 + 460K – 2893 Exemplare

Preis: Fahrgestell-14000 RM; komplettes Fahrzeug je nach Aufbau und Karossier bis über 21000 RM

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Informationen:

MarkeMercedes-Benz
ModelTyp 460 Nürburg
Baujahr1930

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