Gesslein - Kombi-Kinderwagen (1985)


Der gelernte Korbflechter Georg Gesslein gründete Ende der 40er Jahre ein bald enorm florierendes und auch heute noch existierendes Unternehmen im oberfänkischen Städtchen Redwitz. Seine ersten Kinderwagen begann er in einem Hühnerstall zu konstruieren. Es waren handgeflochtene Korbkinderwagen, die 1950 auf den Markt kamen. Über die Grenzen bekannt wurde Gesslein kurz darauf durch die wegweisende Erfindung des ersten Kombi-Kinderwagens der Welt, dessen aus Peddigrohr geflochtener Prototyp auch noch im besagten Hühnerstall entstand. Die zweite große Idee, die die Branche in den 70er Jahren elektrisieren sollte, war der Panorama-Kinderwagen von Gesslein

Gesslein baute diesen Panorama-Kinderwagen mit durchsichtigen Seiten,- und Frontpartien, so dass das Baby hinaus schauen konnte. Auch dieses Modell wurde zu einem internationalen Verkaufsschlager. In den 60er und 70er Jahren vertraten Kinderärzte die Auffassung, die Bauchlage sei für Babies ideal. Diese Entwicklung brachte Gesslein auf die Idee einen Kinderwagen mit „Aussicht“ zu entwerfen, was ein voller Erfolg werden sollte. Nachdem man zu der Erkenntnis kam, dass die Bauchlage doch nicht so vorteilhaft war, wurde auch der Panorama-Kinderwagen ad acta gelegt. Der Kombi-Kinderwagen blieb aber immer ein Hauptsegment bei Gesslein und wurde stets weiterentwickelt, wie das abgebildete Exemplar aus den 80er Jahren mit abnehmbarem Oberteil als Reisebett zeigte. Der Rest war dann mit wenigen Handgriffen zu einem Sportwagen umbaubar, indem das Fußteil zur Rückenlehne umfunktioniert wurde.

Die große Verbreitung des Kinderwagens war letztendlich der Industrialisierung zu verdanken

Vor dem Zeitalter der Industrialisierung transportierte die breite Masse der Bevölkerung ihre Babies und ihre Kleinkinder entweder in Tragetüchern oder in den ab etwa dem Jahr 1200 aufkommenden Schubkarren. Erste kutchenähnliche Gebilde oder auch Holzwägelchen zum Ziehen gab es dann zwar schon in der Frühen Neuzeit, doch waren das für den Adel oder für einige reiche Bürger angefertigte Einzelstücke. Die erste Fabrik zur Herstellung von Kinderwagen entstand erst in den 1840er Jahren in England, wo Charles Burton seine anfangs dreirädrigen „Perambulatoren“ in Menge herstellte. Geeignet waren diese Kinderwagen allerdings nur für Kleinkinder, die schon sitzen konnten, aber nicht für liegende Babies. Die ersten zu schiebenden Kinderwagen für Babies baute der Stellmacher Ernst Albert Naether in Zeitz. Hier entstand bald ein blühendes Zentrum der Kinderwagenproduktion mit einer großen Anzahl an Kinderwagen-Herstellern. Ein weiteres Zentrum dieser Branche entwickelte sich im Mittel,- und Oberfränkischen, zu denen die Städte Rothenburg ob der Tauber oder auch Redwitz zählten. Wichtig für die Kinderwagenhersteller waren in den 20er, 30er und 40er Jahren auch die Korbproduzenten, denn sie fungierten meist als Zulieferer für diesen Industriezweig. Georg Gesslein, der eine Lehre als Korbflechter absolviert hatte, arbeite also in einem für die Region sehr traditionellen Berufszweig, der die besten Voraussetzung für eigene Entwicklungen bot.

Fotos & Text: Marina Block

Bilder

Informationen:

MarkeGesslein
ModelKombi-Kinderwagen
Baujahr1985

Weitere Fahrzeuge