Der kleine und lautstarke Lohmann-Zweitaktdieselmotor aus der Fahrradstadt Bielefeld mit 18 ccm Hubraum und 0,8 PS bei 6000 U/min bereicherte in der frühen Nachkriegszeit die aufkommende Phalanx an Hilfsmotoren für Fahrräder
In den 50er Jahren wuchs das Angebot an Hilfsmotoren stark an. Das war auch kein Wunder, denn ein Fahrrad mit Hilfsmotor war damals ein aus der Not geborenes Gefährt, das für viele überhaupt erst den Einstieg in die Motorisierung ermöglichte, denn kurz nach dem zweiten Weltkrieg gab es für viele kaum eine andere Möglichkeit.
So gab es den Vicky-Motor von Victoria, der das Hinterrad über eine Kette antrieb und oben am Hinterrad befestigt war. Besonders beliebt war der von der Seyffer-Fertigungsgemeinschaft entwickelte Rex-Motor, der das Vorderrad über Riemen und Riemenscheibe antrieb. Sehr erfolgreich war auch der von Garelli in Italien gebaute Mosquito-Hilfsmotor, der dank seiner Leistungsstärke selbst Tandems und Lastenräder motorisierte und von Garelli noch bis in die 90er Jahre hinein gebaut wurde. Dieser Zweitaktmotor arbeitete wie die Velosolex mit einer Reibradrolle als Kraftübertragung, allerdings auf das Hinterrad und nicht wie bei der Velosolex auf das Vorderrad. Der Mosquito wurde weltweit exportiert und war auch in Deutschland zu haben. Das Neckermann-Versandhaus etwa hatte ihn zwischen 1966 und 1972 an einem Klappfahrrad im Programm. Einbaumotoren der großen Hersteller Fichtel & Sachs oder Ilo wurden in den 50er Jahren hauptsächlich in stärkeren und niedrigeren Rahmenkonstruktionen, wie den ab 1950 erscheinenden Mopeds und Mofas, eingesetzt. Auch die mit einem Reibradmechanischmus arbeitende Vélosolex aus Frankreich, deren Motor mit Hilfe einer Reibrolle das Vorderrad antrieb, besaß eine stabilere Rahmenkonstruktion. Einen Hilfsmotor für normale Fahrräder hatte aber auch der große Einbaumotorenhersteller Ilo mit dem F48 im Programm.
Karl Lohmann gründete die Lohmann-Werke ursprünglich nicht in Bielefeld sondern in London
Als um 1880 auch in Deutschland das Fahrrad immer beliebter wurde, stieg auch der Bedarf an Fahrradteilen. Da die meisten Fahrräder damals noch aus dem Fahrradland England kamen, das der Vorreiter dieser neuen Technologie war, gründete Lohmann 1892 eine Exportfirma in London. Die lief bald so gut, dass er 1896 einen Zweigbetrieb in seiner Heimatstadt Bielefeld eröffnete. Hier wurde bald auch die Fertigung von Fahrradzubehör, wie Sätteln, Taschen und Lampen aufgenommen. Sogar Reisekoffer gingen in die Produktion. Als der Firmengründer 1916 starb, übernahm die Familie den Betrieb und wandelte die Firma in eine Aktiengesellschaft um. Nach dem zweiten Weltkrieg stieg man bei Lohmann auch in den Bau eines Fahrradhilfsmotors ein, der von 1949 bis 1956 im Programm stand und in etwa 51000 Exemplaren gefertigt wurde.
Der Lohmann-Motor war der einzige Zweitakt-Diesel unter den Hilfsmotoren. Betreiben konnte man ihn allerdings auch mit Petroleum oder Kerosin
Als der Konstrukteur Hermann Teegen diesen Fahrrad-Motor für Lohmann entwickelte, wurde er von vielen belächelt und sein Produkt als „technischer Aprilscherz“ verunglimpft. Andererseits aber gab es auch viel Zustimmung für die unorthodoxe Konstruktion, und ungewöhnlich war dieser selbstzündende Zweitakter damals allemal. Er besaß weder einen Vergaser, noch eine Einspritzung und war mit einer verschiebbaren, oben verschlossenen Laufbuchse bestückt, mit der man die Kompression regeln konnte. Spiralförmig verlaufende und eingefräste Überströmkanäle sorgten für die passende Gemischführung. Auf der rechten Lenkstankenseite lag der Gasdrehgriff und auf der linken Seite verstellte man ebenfalls über einen Drehgriff die Kompression. Über den Bowdenzug wurde ein Kurvendruckstück (später ein Trapezgewinde) betätigte, das die Zylinderlaufbuchse steuerte. Der Motor wurde unter dem Tretlager angebracht und trieb das Hinterrad über eine Reibrolle an. Er war so konzipiert, dass er die doch recht schwachen Fahrradrahmen nicht übermäßig strapazierte und auch die Fahrradbremsen mit der Leistung, -er brachte das Fahrrad auf gut 30 km/h-, noch gerade so zurecht kamen. Preislich lag der Lohmann-Diesel unter dem anderer Fahrradmotorenhersteller und auch der Verbrauch war sehr gering. Ein Nachteil war allerdings seine enorme Lautstärke, die ihm den Spitznamen „Nervensäge“ einbrachte.
Anbauen ließ sich der Lohmann-Diesel an jedes Fahrrad. In unserem Fall trieb er ein Fahrrad der Marke Dürkopp an, deren Firmensitz sich ebenfalls in Bielefeld befand und die zu den ältesten Fahrrad,- Motorrad und Automarken Deutschlands zählte
Aus der ehemaligen Fahrrad,- und Motorradstadt Bielefeld, in der einst über 20 Millionen Fahrräder produziert wurden, stammte in der Blütezeit des Zweirads jedes fünfte Fahrrad in Deutschland.
Fahren ließ sich ein Zweirad mit Lohmann-Diesel-Unterstützung am besten mit viel Gefühl und einem guten Gehör. Der Fahrer hatte neben der Regulierung der Gemischzufuhr auch die günstigste Verdichtung für die Arbeit des Motors herauszufinden und einzustellen. Orientieren konnte er sich hierbei an der Geräuschentwicklung des Auspuffs. Bei korrekter Einstellung, sang der Motor nämlich wie eine Kreissäge, fing er an zu stottern, war die Verdichtung zu gering. Zu harte Töne signalisierten hingegen eine zu hohe Verdichtung.
Als das Zeitalter des Mopeds anbrach, verkaufte die Firma Lohmann die Konstruktionspläne und Anlagen nach Amerika. Eine Weiterentwicklung des Lohmann-Diesel mit größerem Hubraum, blieb in der Anfangsphase stecken.
Fotos & Text: Marina Block