Anfang der 60er Jahre weitete die Firma Glas aus Dingolfing, die bis dato bekannt war für ihre erfolgreichen Kleinwagenmodelle Goggomobil und Isar, ihr Geschäft auf den Bau von Mittelklassemodellen aus, von denen einige ihre eleganten Formen dem italienischen Automobildesigner Pietro Frua zu verdanken hatten
Ein wesentliches Merkmal aller Mittelklassefahrzeuge von Glas war ihr von dem ehemaligen BMW-Ingenieur Max Ischinger entwickelter Hochleistungsmotor. Dieser ohc Reihenvierzylinder besaß neben anderen gut durchdachten Details zum ersten Mal im Serienautomobilbau eine über einen Zahnriemen statt einer Kette angetriebene, obenliegende Nockenwelle. Außerdem verfügte er über eine äußerst elegante Konstruktion, bei der die Ventilsteuerung ohne Kipphebelwelle auskam. Beides hielt später Einzug in den allgemeinen Motorenbau. Der neue Reihenvierzylindermotor mit fünffach gelagerter Kurbelwelle feierte im Glas S1004 von 1961, der auf dem verlängerten Fahrwerk des Glas Isar entstand, sein Debut. In vergrößerter und leistungsgesteigerter Form wurde der Motor dann in allen folgenden Glas-Mittelklassemodellen verwendet, so auch im auf 64 PS leistungsgesteigerten und vorn mit Scheibenbremsen versehenen 1004 TS von 1963.
Die 04er-Baureihe von Glas, die über eine sehr kantige Formgebung verfügte, überzeugte durch ihre Sportlichkeit und die hohe Leistungsfähigkeit, Drehfreudigkeit sowie Elastizität der Motoren
Bereits der mit zwei Flachstromvergasern bestückte und 750 kg wiegende 1004 TS von 1963, der 992 ccm Hubraum besaß und 64 PS bei 6000 U/min leistete, erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h. Noch weit flotter unterwegs waren seine größeren und hubraumstärkeren Brüder 1204 TS und 1304 TS, die es locker auf mehr als 160 km/h brachten und in knapp 12 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen konnten. Damit kamen sie auf ähnliche Leistungen wie einige weit teurerer Automobile im Sportwagensektor. Schließlich war ein Glas 1004 TS für knapp 6000 DM und ein 1204 TS für um die 7000 DM zu haben. Etwas gewöhnungsbedürftig war allerdings ihr Fahrverhalten, denn Glas hatte bei der 04er-Baureihe primär auf Leistung gesetzt und dabei weniger auf das dazu passende Fahrwerk geachtet. Vorn gab es Einzelradaufhängung an Doppel-Querlenkern, Schrauben,- und Gummihohlfedern, hinten dominierte bei dem Hecktriebler die blattgefederte Starrachse mit Panhardstab. Bei normaler Fahrweise gab es kaum Probleme. Wollte man aber nun das Leistungspotential des Glas voll ausnutzen, war fahrerisches Können gefragt, denn der Glas war frontlastig und das Kurvenverhalten bei höherem Tempo eher weniger optimal. Doch Könnern machte das gar nichts und Fahrer wie Gerhard Bodmer gewannen mit einem Glas 1204 TS sogar etliche Tourenwagenrennen.
Glas ging Ende 1966 in BMW auf
Der ehemalige Landmaschinenfabrikant Glas hatte mit dem Goggoroller, dem Goggomobil und dem Isar die Bevölkerung erfolgreich in die Wirtschaftswunderzeit begleitet. Nun auch seine Mittelklassemodelle und das V8-Oberklassemodell gut zu vermarkten, machte zusehends Probleme, vor allem wohl weil das Händlernetz von Glas aus Landmaschinen,- und Kleinwagenhändlern bestand. Als es immer schwieriger wurde, sich schnell gegen eine kapitalkräftige Konkurrenz zu behaupten, trat Glas mit verschiedenen Autokonzernen in Verhandlungen ein. Allerdings bestand über den befreundeten Münchener BMW-Händler und ehemaligen Rennfahrer Schorsch Meier bereits eine gute Kommunikationsebene zu BMW. Und BMW hatte Interesse, sogar soviel Interesse an dem Ingenieurswissen der Firma Glas, dass die Verantwortlichen sehr viel für Glas zu zahlen bereit waren. In der Folgezeit baute BMW einige Glas-Modelle noch kurzzeitig weiter. Ende der 60er Jahre verschwand der Name Glas in Deutschland dann aber leider endgültig.
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: ohc Reihenvierzylinder, Nockenwellenantrieb über Zahnriemen
Hubraum: 992 ccm
Leistung: 64 PS bei 6000 U/min
Verdichtung: 9,1:1
Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h
Vergaser: 2 Flachstromvergaser Solex 35 RH
Kupplung: Einscheibentrockenkupplung
Getriebe: vollsynchronisiertes Vierganggetriebe, Mittelschaltung
Karosserie: selbsttragende Ganzstahlkarosserie, 2 + 2-Coupé und Cabriolet
Vorderradaufhängung: an Doppelquerlenkern, Schrauben,- und Gummihohlfedern, Querstabilisator
Hinterradaufhängung: Starrachse an halbelliptischen Blattfedern, Gummihohlfedern, Panhardstab
Bremsanlage: vorn Scheibenbremsen, hinten Trommelbremsen
Radstand: 2100 mm
Gesamtmaße: 3835 x 1500 x 1355 mm
Spur: vorn 1230 mm, hinten 1200 mm
Leergewicht: 750 kg
Tankinhalt: 40 l
Verbrauch: 9,7l auf 100 km
Stückzahl: Glas 1004/1204/1304 insgesa