Der Elektroantrieb hatte bei Hercules Tradition
Das zu den Pionieren im Zweiradbau zählende Unternehmen aus Nürnberg konstruierte bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert einen Personenwagen und sogar LKWs mit Elektromotor. Carl Marschütz hatte seine Velozipedfabrik 1886 in Nürnberg gegründet und baute mit seinem Bruder Heinrich erst Fahrräder und um 1898 herum für einige Zeit besagte Fahrzeuge mit Elektromotoren. Anfang des neuen Jahrhunderts konzentrierte man sich dann zwar auf die Fahrrad,- und Motorradproduktion, baute in kleinen Stückzahlen zwischen 1906 und 1926 aber immer noch vierrädrige Nutzfahrzeuge und in den 30er Jahren auch ein Dreirad. Als Fichtel & Sachs seine ersten Einbaumotoren herausbrachte, bestückten auch die Marschütz-Brüder ihre Hercules-Fahrräder mit diesen Motoren. Auch leichte Motorräder mit Einbaumotoren folgten bald.
In Zeiten der Ölkrise Anfang der 70er Jahre machten sich einige Zweiradhersteller Gedanken über alternative Antriebsformen für ihre kleinen Modelle
Als erster Hersteller bot Solo (Solo Kleinmotoren aus Sindelfingen) mit der Solo Electra ein Mofa mit E-Motor an, dicht gefolgt von Hercules aus Nürnberg, der 1973 mit dem Mofa-Modell E1 heraus kam. Mit dem Elektroantrieb für kleine Stadtfahrzeuge hatte Hercules damals im Prinzip eine wegweisende Idee, doch das rollerartige Elektro-Mofa E1, das bei Hercules von 1973 bis 1977 im Programm stand, erreichte mit mehreren tausend produzierten Exemplaren keine nennenswerten Stückzahlen. Sein größtes Manko war die mangelnde Reichweite, die je nach Gelände und Fahrweise nur unter Mühe 20 km betrug.
Weit mehr Erfolg hatte Hercules dann in den 90er Jahren mit seinem „Electra“-Fahrrad
Dieses gut 10 Jahre gebaute Fahrrad mit Elektromotor an der Hinterradnabe lief unter der Kategorie Leichtmofa und wurde in fast 19000 Exemplaren verkauft. Heute gilt es als eines der ersten serienmäßigen E-Bikes. Es besaß einen verstärkten Fahrraddurchstiegsrahmen mit einer Rahmenhöhe von 48 cm. Ausgestattet war es mit einer Dreigangnabenschaltung, einem Elektromotor an der Hinterradnabe, einem Drehgasgriff, einer Anfahrelektronik und einem Nickel-Cadmium-Akkupack in einer Halterung über dem Vorderrad, das mit einer Trommelbremse versehen war. Der 24 V-Gleichstrommotor am Hinterrad besaß eine Dauerleistung von 0,18 kW und riegelte bei 20 km/h Geschwindigkeit ab. Zu haben war die 30 kg schwere und zulassungspflichtige Electra in vielen Farben, sogar eine Zweifarbenlackierung wurde angeboten.
Fotos & Text: Marina Block