Dreiräder baute die Firma Vidal & Sohn (Max Vidal und sein Sohn Oscar) aus Hamburg-Harburg bereits Ende der 20er Jahre mit Erfolg. Auch vierrädrige Nutzfahrzeuge gesellten sich im Laufe der Jahre hinzu
Die beiden, die zuvor ein Geschäft für den Import englischer Kohlen betrieben, hatten damals mit der Einstellung von Ingenieur Otto Daus und der nachfolgenden Entwicklung eines soliden und zuverlässigen Dreirads einen Clou gelandet. Ein in den 20er Jahren verabschiedetes neues Gesetz befreite nämlich Fahrzeuge mit weniger als vier Rädern und einem Hubraum bis 350 ccm von der Steuer- und Versicherungspflicht. Daraufhin gab es einen regelrechten Boom an Dreiradwagen mit wenig Hubraum. Auch die Vidals sprangen mit der Realisierung eines zuverlässigen und preiswerten Dreirads in Form eines Pritschenwagens bzw. Kastenwagens, den sie mit einem günstigen, wartungsarmen und zuverlässigen Einbaumotor von Ilo ausstatteten, auf diesen Zug auf.
Erfolg trotz fehlender technischer Kenntnisse
Erfahrungen im Automobilbau hatten die Vidals im Gegensatz zu ihrem großen Konkurrenten Borgward aus Bremen, der das Goliath-Dreirad baute, anfangs übrigens nicht. Vielmehr nahmen sie 1928 mit den Besitzern der Tempo-Werk GmbH, die zwei Dreiradtypen bauten, Kontakt auf und stiegen auf diese Weise in das Dreiradgeschäft ein. Eigentlich wollten die Vidals die Fahrzeuge vermarkten, die die ehemaligen Tempo-Werk-Besitzer bauen sollten. Allerdings ging diese Verbindung wegen Unstimmigkeiten mit den Partnern in die Brüche und die Vidals machten allein weiter. Das Blatt wendete sich zum Positiven, als Ingenieur Otto Daus 1929 eingestellt wurde, der in Zukunft die technischen Geschicke der Firma lenkte. Er war zuvor technischer Leiter der Hamburger Rollfix-Eilwagenwerke und ein passionierter Tüftler und Erfinder. Seine Dreiradkonstruktionen führten die Vidalschen Tempo-Werke bereits ab Dezember 1929 auf den Weg des Erfolgs.
Das 1936 vorgestellte Dreirad E 200 mit Ilo-Einbaumotor und unterschiedlichen Nutzfahrzeugaufbauten fand reißenden Absatz
Der E 200 besaß einen Zentralrohrrahmen mit Quertraversen und eine hintere Pendelachse. Angetrieben wurde das Fahrzeug mittels Kette über das einzelne Vorderrad, das mit zwei Doppelfedern versehen war. Leicht zugänglich befanden sich in der unmittelbaren Nähe des Vorderrads auch alle anderen wichtigen maschinellen Teile, wie etwa der über dem Vorderrad platzierte Einbaumotor, die Kupplung, das Getriebe und der Kühler. Der Antrieb des Vorderrads erfolgte über eine verkapselte und im Ölbad laufende Duplexkette. Der grazile Einzylinder-Zweitaktmotor von Ilo arbeitete noch mit einem Nasenkolben, verfügte über 7 PS Leistung und einen Hubraum von 198 ccm. Die 6Volt-Anlage, der Anlasser und die Lichtmaschine kamen von Bosch. Das über Krückstockschaltung am Armaturenbrett betätigte Dreiganggetriebe war unsynchronisiert. Gebaut wurden von diesem Modell 9600 Exemplare. Bereits 1938 kam mit dem Tempo Hanseat ein weiter entwickeltes und leistungsstärkeres Dreirad auf den Markt. Dass 1937 in Deutschland jeder dritte Kleinlaster aus Hamburg-Harburg kam, besagt welche wichtige Stellung die Tempo Dreiräder damals einnahmen.
Das Tempo Dreirad war für den Transport bestimmt, wurde zügig weiter entwickelt und zählte bald zu den erfolgreichsten Nutzfahrzeugen Europas. In der Nachkriegszeit prägte der günstige Transporter das Straßenbild in Deutschland und half vielen sich eine neue Existenz aufzubauen. Eine derartige Aufgabe hatte er oft auch schon in den 30er Jahren übernommen
Enorme Geschwindigkeiten waren mit dem von 1936 bis 1938 gebauten Tempo E 200 mit Ilo-Einzylinder-Zweitaktmotor natürlich nicht zu erreichen, und warum auch. Es ging bei ihm schließlich primär um den sicheren und preisgünstigen Transport von Ware. Eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h auch in beladenem Zustand waren damals in den meisten Fällen aber ausreichend. Für die Verzögerung des Dreirads sorgten einfache Innenbacken-Trommelbremsen, die mechanisch über Seilzüge betätigt wurden. Vom Fahrer verlangte das Tempo Dreirad ein gewisses Einfühlungsvermögen, denn das etwas kippanfällige Gefährt wollte mit Bedacht gefahren werden. Zu haben war der Tempo mit unterschiedlichen Radständen, was auch eine unterschiedlich große Ladefläche ermöglichte. Beliebt war der kleine Transporter damals auch bei den Behörden. Das abgebildete Exemplar etwa wurde bei der Reichspost für den Transport von Paketen und Briefen eingesetzt.
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: Ilo-Einzylinder-Zweitaktmotor, wassergekühlt
Hubraum: 198 ccm
Leistung: 7 PS bei 4400 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h
Vergaser: Bing-Vergaser
Getriebe: unsynchronisiertes Dreiganggetriebe
Lenkung: Spindellenkung
Antrieb: Vorderradantrieb
Vorderradaufhängung: Doppelfedern und Zentralbolzen, Kettenkasten als mittragendes Element
Hinterradaufhängung: Pendelachse
Bremsen: mechanische Innenbackenbremsen
Radstand: 2870 mm
Gewicht. 535 kg
Zuladung: 600 kg
L x B x H: 4050 x 1580 x 1680 mm
Farben: blau, grau, grün, rot, elfenbein
Bauzeit: 1936-1938
Stückzahl: 9600 Ex.