Als der französische Vergaser,- und Prüfgerätehersteller Solex 1946 die Velosolex, ein Fahrrad mit Hilfsmotor über dem Vorderrad, auf den Markt brachte, konnte noch niemand ahnen, welchen großen Erfolg dieses preiswerte, zuverlässige, genügsame und robuste Zweirad haben würde. Stetig weiterentwickelt verkaufte es sich bis 1988 weltweit in nahezu sieben Millionen Exemplaren
Die mit einem an der Fahrradgabel befestigten 50 ccm Einzylinderzweitaktmotor und einem Reibrollenantrieb auf das Vorderrad versehene Vélosolex wurde zu einer der erfolgreichsten Ikonen der Mofa und Moped-Fraktion. In Deutschland wurde sie erst ab Mitte der 50er Jahre angeboten. Gebaut wurde die Velosolex in verschiedenen Versionen. 1974 übernahm der Motorrad,- und Fahrradhersteller Motobécane die Marke und vertrieb die Velosolex-Modelle ab dieser Zeit unter seinem Markennamen weiter. Für Deutschland übernahm die deutsche Motobécane in Bielefeld den Vertrieb. 1983 wurde Motobécane dann selbst von Yamaha erworben. Das Velosolexmodell S 3800 wurde bis 1988 aber noch weiter als Motobécane S 3800 produziert. Lizenzproduktionen der Velosolex werden bis heute angeboten und auch eine neue Version war ab 2005 unter dem Label „Blacknroll S 4800 “ zu haben, wie auch die e-Solex mit Elektroantrieb.
In der Werbung hieß es über die Velosolex: Das Moped, das von alleine rollt. Weit bekannter wurde sie hier aber unter den Spitznamen „Nasenwärmer“, „Christenverfolger“ und „Maria Hilf“
Zu diesen Spitznamen kam sie wegen der Position des Motors vor dem Fahrer und wegen der Vorliebe, die viele Nonnen und Mönche an diesem Gefährt fanden, was letztendlich auch mit der Motorposition zu tun hatte, denn sie wählten die Vélosolex nicht nur, weil sie preiswert und zuverlässig war, sondern auch, weil der oben angebrachte Motor die langen Kutten nicht beschmutzen konnte. Das war übrigens auch ein Vorteil, den damals viele Frauen schätzten.
Die erste Velosolex wurde 1946 angeboten und war, wie damals so viele andere auch, eine aus der Not geborene Konstruktion. Sie galt als ein preiswertes und genügsames Fahrrad mit Hilfsmotor, das vielen überhaupt erst den Einstieg in die Motorisierung ermöglichte, denn kurz nach dem zweiten Weltkrieg gab es keine günstigere Möglichkeit einer unabhängigen, motorisierten Fortbewegung. Einen stabileren Rahmen, der sich vom schlichten Fahrradrahmen entfernte, erhielt die Velosolex erst Anfang der 50er Jahre. Daraufhin wurde der Rahmen in den nächsten Jahren weiter verstärkt und die Räder wurden verkleinert.
Neben den „Nasenwärmern“ (3800, 5000, Roller Micron und Klapprad Plisolex) bot Solex ab 1969 auch eine moderne Version mit einem unten im Rahmen platzierten Triebwerk an. Mit diesem technisch interessanten und damals futuristisch wirkenden Modell namens Flash wollte Solex der wachsenden Konkurrenz Paroli bieten. Allerdings war die erste Flash-Version unausgereift und sorgte für viel Ärger. Eine teure Weiterentwicklung war notwendig. Die hohen Kosten führten letztendlich zum Ruin und zur Übernahme durch Motobécane
Das von 1972 bis 1974 angebotene Modell 6000 war die kostspielige und nun durchaus zuverlässige Weiterentwicklung der Flash. Wie diese besaß sie einen verschraubten Pressstahlrahmen mit dem Tank im Trittbrett. Ausgestattet war sie mit einem verkleideten und daher gebläsegekühlten, vorn im Rahmen eingebauten 50ccm Einzylinder-Zweitaktmotor mit Benzinpumpe (Membranpumpe). Der Antrieb auf das Hinterrad erfolgte über ein Winkelgetriebe und eine Welle. Modern war damals auch die Scheibenbremse im Hinterrad. Das von einer hydraulisch gedämpften Gabel aufgenommene Vorderrad verfügte über eine Trommelbremse. Ein Evergreen sollte aber auch die Solex 6000 nicht werden. Trotz ihrer technischen Raffinessen kam sie bei weitem nicht an den Erfolg des wirklich zuverlässigen „Nasenwärmers“ heran, der seine Fangemeinde längst gefunden hatte.
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: Einzylinder-Zweitaktmotor
Hubraum: 49 ccm
B x H: 39,5 mm x 40 mm
Verdichtung: 8,2:1
Leistung: 1,4 PS bei 3500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 40 km/h
Vergaser: Solex Typ 8 Li
Antriebsart: Hinterradantrieb über Winkelgetriebe und Welle
Getriebe: Eingang-Automatik
Kupplung: Fliehkraftkupplung
Rahmen: Pressstahlrahmen
Vorderradfederung: Telegabel
Hinterradfederung: keine
Bremse vorn: 83 mm-Trommelbremse
Bremse hinten: 160 mm-Scheibenbremse
Verbrauch: 1,4 l auf 100 km
Gewicht: 34 kg
Bereifung: 2.00 x 16“
Länge: 1530 mm
Breite:600 mm
Höhe: 980 mm
Bauzeit: 1972-1974
Stückzahl: Velosolex insgesamt bis 1988 knapp 7 Millionen Ex.