Glas Aufstieg in den Auto-Olymp begann mit einem Roller. Er sollte mit 50000 verkauften Exemplaren die erfolgreichste, erste Rollerkonstruktion Deutschlands werden. Denn als Glas mit der Rollerproduktion anfing, steckte der Rollermarkt in Deutschland noch in den Kinderschuhen
Der Isaria-Landmaschinenproduzent Glas aus dem bayerischen Dingolfing kam erst im Verlauf der 50er Jahre auf die Idee auch Autos und später sogar sehr sportliche Autos zu bauen. Erst einmal startete man 1951, inspiriert von der italienischen Vespa, mit der Produktion des Goggorollers, der die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg als Voraussetzung für den Autobau bei Glas schuf. Glas hatte anscheinend den auch in Deutschland einsetzenden Motorroller-Boom vorausgeahnt. Mit der anbrechenden Wirtschaftswunderzeit reichte den meisten Menschen das Motorrad als Fortbewegungsmittel nicht mehr aus. Sie wünschten sich ein Dach über dem Kopf oder, wenn das noch nicht möglich war, dann doch zumindest ein Zweirad, das mit einer schützenden „Karosserie“ einigen Eigenschaften des Automobils etwas näher kam. Man wollte halt auch in chicer Kleidung mobil sein und nicht wie ein Dreckspatz oder gar in Motorradmontur irgendwo ankommen.
Hans Glas‘ Sohn Andreas und Chefkonstrukteur Karl Dompert konstruierten einen robusten, zuverlässigen und reich karossierten Roller, der den Kosenamen des Sohnes von Andreas Glas erhielt. So war die Bezeichnung „Goggoroller“ geboren
Karl Dompert wählte für den Goggoroller einen geschweißten Zentralrohrrahmen mit einem stabilen Doppelrohrheck. Vorn gab es anfangs eine ungedämpfte Telegabel, das Hinterrad war an einer Schwinge mit zwei Schraubenfedern aufgehängt. Bei der 150er Version ab 1952 wurde das Vorderrad von einer geschobenen Schwinge samt Schraubenzugfedern und Stoßdämpfern aufgenommen. Verkleidet wurde der Rohrrahmen mit bauchigen Blechteilen. Die Fronthaube des Rollers war fest stehend und verdeckte das halbe Vorderrad samt Federung. Bequem für zwei Personen ausgelegt war die verschließbare Doppelsitzbank, die zudem das Werkzeug, das Gepäckfach und den Tankdeckel vor Langfingern schützte. Auch bei der durchaus ansprechenden Formgebung des 115 kg schweren Goggo-Rollers hatte man bei Glas primär an die praktische Nutzung des Fahrzeugs und erst als zweites an die Schönheit gedacht. So erhielt etwa die Heckverkleidung neben den sowieso schon reichlich vorhandenen Belüftungsschlitzen für den Motor bald zusätzliche Lochungen, um für eine noch bessere Belüftung zu sorgen. Auch der lange Radstand des Fahrzeugs von über 1300 mm machte Sinn und förderte die Stabilität und ein besseres Fahrverhalten. Zudem waren die Goggoroller allesamt mit einer Fußschaltung ausgestattet.
Für die Motorisierung wurden Einbaumotoren von Ilo mit 125, 150 und schließlich auch 200 ccm Hubraum verwendet
Der erste Goggoroller von 1951 besaß einen gebläsegekühlten Ilo-Einzylinderzweitaktmotor mit lediglich 125 ccm Hubraum. Bereits 1952 kam man mit einer größeren Version heraus. Dieses von 1952 bis 1955 angebotende Modell mit 150 ccm Hubraum leistete 6,5 PS bei 5000 U/min und kam auf eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h und das selbst mit doppelter Besetzung. Es arbeitete mit einem Schwunglichtmagnetzünder von Bosch und verfügte über einen 22 mm-Bing-Vergaser. Den Antrieb zum Hinterrad übernahm eine fast vollständig gekapselte Rollenkette. Die Mehrscheibenkupplung lief im Ölbad und geschaltet wurde das Dreiganggetriebe des 150er Modells über eine rechts angeordnete Schaltwippe. Eine reichhaltige Instrumentierung suchte man an diesem Modell, wie auch an dem kleineren, vergebens, denn er besaß nur einen Tacho an der Beinschildinnenseite. Erst der große, ab 1953 angebotene Goggoroller mit 200 ccm Hubraum und 9,5 PS wurde umfangreicher ausgestattet und erhielt außerdem ein überarbeitetes Fahrwerk und einen elektrischen Anlasser. Er war auch für den Seitenwagenbetrieb geeignet und auf Wunsch mit einem Royal-Seitenwagen zu haben. Mit diesem großen Ilo-Motor war auch ein Goggo-Lastenroller ausgestattet. Für das ebenfalls sehr gut laufende Exportgeschäft wählte Glas den Namen Isaria-Roller für seine Rollermodelle.
Mitte der 50er Jahre gingen die Rollerverkäufe langsam zurück
Zum einen gab es mittlerweile viele Zweiradhersteller, die auf den Zug aufgesprungen waren und auch Rollermodelle anboten. Zum anderen wuchs damals der Bedarf an erschwinglichen Kleinstwagen rasant, da man mit dem Motorradführerschein der Klasse 4 auch Autos mit Motoren bis 250 ccm Hubraum fahren durfte. Daher wurde der sehr erfolgreiche Goggoroller,- Glas war damals der drittgrößte, deutsche Rollerproduzent nach NSU und Hoffmann, 1957 ad acta gelegt und man konzentrierte sich auf das Goggomobil, einen Kleinstwagen, der wirklich wie ein normales Auto aussah. Das war gerade das, was die Leute damals suchten, denn exotische Konstruktionen á la Messerschmitt Kabinenroller oder Zündapp Janus schreckten viele eher ab. Auch diesen Trend hatte Hans Glas frühzeitig erkannt und mit dem ab 1955 verkauften Goggomobil ein preiswertes Fahrzeug geschaffen, das aussah wie ein richtiges Auto, Platz für eine Kleinfamilie bot und nicht teurer war als ein Motorrad mit Beiwagen. Und so wurde das Goggomobil der erfolgreichste Kleinstwagen jener Zeit und löste in der Firmenpolitik den ersten Glas-Verkaufsschlager, den Goggoroller ab.
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: Ilo-Einzylinder-Zweitaktmotor, gebläsegekühlt
Hubraum: 147 ccm
B x H: 57 mm x 58 mm
Leistung: 6,5 PS bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h
Vergaser: 22 mm-Bingvergaser
Elektrik: Schwunglichtmagnetzünder von Bosch
Getriebe: Dreiganggetriebe, fußgeschaltet
Kupplung: Zweischeibenkupplung im Ölbad
Rahmen: Zentralrohrrahmen mit Doppelrohrheck
Vorderradaufhängung: geschobene Schwinge, Schraubenzugfedern
Hinterradaufhängung: Schwinge, zwei Schraubenfedern
Bremsen: Trommelbremsen
Radstand: 1332 mm
Gewicht: 115 kg
Reifen: 4.00-8“
Tankinhalt: 12 l
Verbrauch ca. 2l/100 km
Bauzeit: 1952-1955