Die französische Automobilmarke Peugeot zählt zu den ältesten Automarken der Welt
Gegründet wurde Peugeot von der gleichnamigen Familie bereits 1810. Damals stellte man hauptsächlich Werkzeuge, Mahlwerke, Sägeblätter und andere Eisenwaren her. 1881 begann Armand Peugeot, der damalige Kopf der Familie, auch Fahrräder zu bauen. Ab 1899 gesellten sich motorisierte Fahrräder und einige Zeit später die ersten „richtigen“ Motorräder hinzu. Genauso aktiv war man im Automobilbau, denn auch die ersten Peugeots tauchten in diesem Zeitraum auf. So entstand auf Initiative von Armand Peugeot 1889 mit dem Serpollet-Dreirad, einem Dampf-Fahrzeug, das erste Kraftfahrzeug von Peugeot. Wenig später sollte dann ein Peugeot-Quadricycle, ebenfalls ausgestattet mit einer Dampfmaschine von Léon Serpollet-, folgen. Die ersten Peugeots mit Verbrennungsmotoren gab es ab 1890. Eingesetzt wurde ein vom damaligen Daimler-Mitarbeiter Wilhelm Maybach für Panhard & Levassor entwickelter Viertaktmotor. Panhard & Levassor produzierte diesen Motor nach Daimler-Lizenz und fand in Peugeot den größten Abnehmer für diese Motoren. Möglicherweise fuhren sogar die wenigen Daimler-Automobile, die es damals gab, mit von P & L gebauten Motoren. Gottlieb Daimler konzentrierte sich derzeit nämlich weit mehr auf Feuerwehrspritzen und anderes Gerät als auf Autos.
Zwischen 1890 und 1896 baute Peugeot in kleinster Stückzahl von 4 bis höchstens 14 Exemplaren verschiedene Fahrzeugtypen mit dem von Maybach konstruierten V-Twin, der im Heck unter der Fahrersitzbank platziert war und die Hinterräder über Ketten antrieb. Dieser Viertaktmotor besaß anfangs 565 ccm Hubraum, leistete 2 PS und arbeitete mit Glührohrzündung
Da frühe elektrische Zündungen überaus unzuverlässig und außerdem sehr teuer waren, wurde die Glührohrzündung verwendet. Den Hinterradantrieb über Ketten wählte Peugeot, weil Ketten weit weniger wogen als ein Kardanantrieb und ein geringeres Gewicht bei den schlechten Straßenverhältnissen damals vorteilhafter war. Daher hatten auch in der Frühzeit des Automobils eigentlich immer die teureren Modelle einen Kettenantrieb.
Wie alle Pioniermarken nahm auch Peugeot an den ersten Wettbewerben teil
So starteten gleich fünf Peugeots 1894 an der ersten Wettbewerbsfahrt für „pferdelose Kutschen“. Die Zeitschrift „Le Petit Journal“ hatte die 128 km lange Fahrt Paris-Rouen damals ausgeschrieben und einen stolzen Preis ausgesetzt. Alle Peugeots erreichten damals das Ziel und gewannen den ersten Preis von 5000 Franc. Allerdings teilte Peugeot sich das Preisgeld mit seinem Motorenzulieferer und Konkurrenten Panhard et Levassor.
Ein Rennen gab 1896 auch den Ausschlag für den Kauf des abgebildeten Vis-a-vis. Sein Besitzer Monsieur Durturond wollte nämlich mit ihm an einer der ersten Geschwindigkeitsfahrten, dem Rennen Argent-Bordeaux-Argent teilnehmen. Das Resultat war mit einem zweiten Platz dann auch sehr erfolgreich. Im selben Jahr gründete übrigens Armand Peugeot innerhalb des Konzerns die Société anonyme des Automobiles Peugeot und man legte mit dem Automobilbau so richtig los. Nun begann Peugeot auch einen eigenen Motor zu entwickeln, einen Reihenzweizylinder, der 1898 erstmals eingesetzt wurde.
Ein interessantes Phänomen am Peugeot, wie auch an manch anderen Autos der Frühzeit, war die zweifache Nutzung seines Rohrrahmens
Der Rohrrahmen übernahm hier als zweite Funktion die Aufgabe eines Kühlers, denn das Kühlwasser wurde durch den Rahmen geleitet und die Oberfläche der Rohre diente zur Kühlung. Natürlich mussten die Rohre für diese Aufgabe gebogen verlaufen, also nicht unterbrochen sein, was damals schwer zu machen war. Erfahrung auf diesem ganz speziellen Gebiet hatten hauptsächlich Fahrradhersteller. Daher wurden die Rahmen der frühen Autos dort gefertigt, so etwa Benz bei Adler und Peugeot bei NSU. Ein zusätzlicher Kühler etwa für bergiges Gelände konnte bei Peugeot zugekauft werden.
Der Vis-a-vis war in der Frühzeit des Automobils die beliebteste Bauweise für einen Viersitzer
Einander gegenüberliegende Sitzbänke machten es nicht nur möglich, sich bequem während der Fahrt zu unterhalten. Man sparte auch Raum ein, denn es wurde nur ein einziger Fußraum benötigt, wie es ehedem auch im Kutschenbau für die Passagiere üblich war. Auch die Sichtverhältnisse für den Fahrer waren akzeptabel, da die vordere Sitzbank tiefer gelegt war. Zudem ließ sich der Peugeot, der eine Lenkstange und Kettenübersetzung besaß, verblüffend leicht lenken. Für die Frühzeit des Automobils üblich waren auch die geraden Drahtspeichen. Da nur wenige Speichen trugen, führte dies zu Haltbarkeitsproblemen. Erst später hatten die Räder überkreuzte Speichen.
Dieser Peugeot ist das älteste Fahrzeug im Museum
Er ist völlig original erhalten, was allein schon einer kleinen Sensation gleich kommt. So besitzt er noch die ursprünglichen Kunstlederpolster, die es gegen Aufpreis gab. Kunstlederpolster waren damals etwas ganz besonderes und weit teurer als Leder, das sich bei Nässe voll saugte. Originales Kunstleder wurde später leider oft durch Leder ersetzt. Hier ist es aber noch völlig erhalten, wie auch die Lackierung oder etwa die Vollgummibereifung. Darüber hinaus zeigt sich das Fahrzeug in einem derartig guten technischen Zustand, dass es ohne große Probleme fahrbereit ist.
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: Zweizylinderviertaktmotor, 16° V-Twin
Hubraum: 565 ccm
Leistung: 2 PS bei 1000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: ca. 20 km/h
Zündung: Glührohrzündung
Radaufhängung vorn: Starrachse, Blattfedern
Radaufhängung hinten: Starrachse, Blattfedern
Getriebe: Zweiganggetriebe
Chassis: Leiterrahmen
Bremsen: Bremse auf Hinterräder
Gewicht: ca. 500 kg
Radstand: 1630 mm
L x B x H: 2620 mm x 1400 mm x 2020 mm
Spur vorn/hinten: 1210 mm/1230 mm
Bauzeit: 1893-1896 Typ 5