Die Motorenwerke Eisenach aus Thüringen brachten ab Mitte der 50er Jahre ihre neue Wartburg-Baureihe 311 mit modern gestalteten Karosserievarianten auf den Markt. Eins der begehrtesten Modelle war ab 1957 der Luxus-Kombi Wartburg Camping. So etwas gab es zu dieser Zeit sonst nur in den USA. In der DDR war er praktisch nur für vom System Priviligierte zu haben und ging ansonsten in den Export
Autos wurden in Eisenach schon seit „Ewigkeiten“ gebaut. Mit Daimler und Benz zählte die 1896 entstandene Fahrzeugfabrik Eisenach, die ihr erstes wenig beachtetes Auto, den Eisenacher Kutschierwagen 1898 herausbrachte, zu den ältesten Automobilproduzenten Deutschlands. Heinrich Ehrhardt, der Inhaber der Fahrzeugfabrik Eisenach, bemühte er sich um eine Lizenz der französischen Automobilmarke Decauville und so erhielt schon 1899 ein Decauville-Lizenzbau den Namen Wartburg. Für einen Eisenacher lag dieser Name nahe, denn die Wartburg war ein Wahrzeichen der Stadt Eisenach. Ab 1904 entstanden hier Automobile mit dem Namen Dixi, die in der zweiten Hälfte der 20er Jahre Lizenzbauten des englischen Austins waren. Ab 1929 begann die Firma BMW mit dem Autobau in Eisenach. Nach dem Krieg wurde das thüringische Werk, das nun in der sowjetisch besetzten Zone lag, enteignet und in eine Sowjet-AG umgewandelt, die die Autos weiter unter BMW-Label verkaufte. Als das Münchener Werk daraufhin Einspruch erhob, wurden die Autos aus Eisenach eine Zeit lang im Ausland weiter als BMW und in Deutschland als EMW angeboten. Als die Sowjets dann die Lust verloren, übergaben sie das Werk an die DDR. 1952 wurde es in das VEB Automobilwerk Eisenach umbenannt. Zum Ärger der Leute in Eisenach wurde dann die Produktion des auf DKW-Vorkriegstechnologie basierenden IFA F9 mit Dreizylinder-Zweitakttriebwerk nach Eisenach verlegt. Auf dem technischen Konzept dieser DKW-Vorkriegsentwicklung von 1940 mit kleinvolumigem Dreizylinder-Zweitaktmotor, Vorderradantrieb und solidem Kastenrahmen baute auch der langlebige Wartburg 311 und sein Nachfolger 312 auf.
Seine Entstehung hatte er einer geheimen Initiative zu verdanken
Als nach Auslagerung der Produktion aus Zwickau der IFA F9 in Eisenach weitergebaut werden sollte, war dort natürlich keiner von der Anweisung der Funktionäre begeistert, sich statt auf ehedem anspruchsvolle Produkte mit Sechszylinder-Viertaktmotoren nun auf den IFA mit Zweitakttechnologie zu konzentrieren. Also machte sich die Belegschaft von den Weisungsträgern unbemerkt ans Werk, überarbeitete das äußere Erscheinungsbild des F9 von Grund auf und entwickelte daraus ein ansprechendes Mittelklassefahrzeug, den Wartburg 311. Das stellte man dann den Politfunktionären in Berlin vor. Die waren von der neuen Formgebung sehr angetan und gaben den Eisenachern das o.k. zur Serienproduktion, die 1956 anlief.
Der Wartburg 311 glänzte mit seiner modernen Formgebung und vielfältigen Karosserievarianten
Eine viertürige Limousine in Standard und de Luxe-Version mit und ohne Faltschiebedach, ein dreitüriger Kombi, ein viersitziges Cabriolet, ein schickes Coupé, ein zweisitziger Sportwagen, ein Pick-Up und die bald sehr begehrte Reise-Limousine „Camping“ (ab 1957) zählten zum gut bestückten Sortiment. Viele Fahrzeuge gingen übrigens in den Export und wurden in 55 Länder verkauft. Für normale DDR-Bürger waren sie nicht erreichbar.
Der fünftürige Wartburg Camping mit luxuriös ausgestattetem Innenraum und großem Schiebedach wurde auch als Camping-Limousine bezeichnet, um ihn vom Kombi abzuheben
Mit dem Camping hatten die Eisenacher ein vielseitiges, sehr gut ausgestattetes, übersichtliches und komfortables Fahrzeug realisiert, das Reisen auf Limousinen-Niveau ermöglichte und zusätzlich die Möglichkeit bot, durch glattflächige Versenkbarkeit der Sitze im Fahrzeug bequem zu übernachten. Auch als geräumiger Transporter wurde er gerne genutzt, denn das große Faltschiebedach bot in dieser Beziehung enorme Vorzüge. Es gab aber auch ein Problem, denn wurde das Fahrzeug zu stark beladen, sackte es hinten ab. Das war der Grund dafür, weshalb Austauschkarosserien kein Schiebedach mehr hatten. Der Camping verfügte zudem über Panoramaseitenfenster, die hinten bis weit in die Dachkonstruktion verliefen. Man bezeichnete diesen Karosserietyp als Vollsichtpontonkarosserie.
Mit dem auf 991 ccm Hubraum aufgestockten Wartburg 1000 Camping von 1962, der nun 45 PS bei 4500 U/min leistete, hatte man auch das Styling der Panoramascheiben ein wenig verändert. Nun unterbrach eine Zierleiste, die optisch die Dachlinie weiterführte, die Panoramascheibe. Der in der Dachkonstruktion befindliche Teil der Scheibe, der aus Plexiglas bestand, wurde später zum Blendschutz farbig-gelb ausgelegt. Derartig gestaltete Dachpartien waren damals eine große Besonderheit und erregten einiges Aufsehen.
Gebaut wurde der Wartburg 1000 Camping der 311er-Baureihe bis 1965, danach wurde die Karosserieform mit der 312er-Reihe bis 1967 fortgeführt. Die Sonderkarosserien (Camping und Cabrio) entstanden übrigens nicht in Eisenach, sondern bei KWD Dresden (ehemals Karosseriehaus Gläser).
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: Dreizylinder-Zweitaktmotor
Hubraum: 991 ccm
B x H: 73,5 x 78 mm
Verdichtung: 7,3:1
Leistung: 45 PS bei 4500 U/min
max. Drehmoment: 9,5 kpm bei 2200 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 125 km/h
Vergaser: Flachstromvergaser H362-20
Getriebe: Vierganggetriebe, Lenkradschaltung
Kupplung: Einscheiben-Trockenkupplung
Antriebsart: Vorderradantrieb
Karosserie: Ganzstahlkarosserie auf Kastenprofilrahmen verschraubt
Vorderradaufhängung: unabhängig, an unterem Querlenker und oberer Querblattfeder
Hinterradaufhängung: Starrachse, Längslenker, hochliegende Querblattfeder
Bremsen: hydraulische Trommelbremsen, vorn Duplex, hinten Simplex
Radstand: 2450 mm
L x B x H: 4210 mm x 1570 mm x 1450
Gewicht: 980 kg
Tankinhalt: 44 l , Tank im Heck
Verbrauch: 9,5 l auf 100 km
Bauzeit:. 1962-1965