Der kurz nach der Jahrhundertwende gebaute Opel-Doktorwagen wurde bald zum Begriff und stellte wohl eines der ersten Special-Interest-Modelle dar
Adam Opel produzierte im 19. Jahrhundert erst einmal Nähmaschinen in Rüsselsheim, bis er dann recht früh (1866) auch in die Fahrradproduktion einstieg. Diese Fahrräder sollten dank zahlreicher Rennerfolge große Aufmerksamkeit erlangen. Nach seinem Tod 1895 begannen dann seine Söhne auch Automobile nach dem System Lutzmann zu bauen, was allerdings nicht so sehr glückte. Daher übernahmen sie 1897 die Vertretung der französischen Marke Darracq und versahen die bei Alexandre Darracq in Paris bestellten Fahrgestelle mit eigenen Aufbauten. Diese Fahrzeuge wurden etwa bis 1907, als der Kooperationsvertrag mit Darracq endete, hier als Opel-Darracq verkauft. Mittlerweile hatte Opel aber auch seit 1902 komplette Eigenkonstruktionen auf den Markt gebracht. Mit dem Opel Doktorwagen von 1905 legte man den Grundstein für den späteren Erfolg und machte Opel zu einem der bedeutendsten Autoproduzenten im Kaiserreich.
Der Doktorwagen erhielt übrigens seinen speziellen Namen, weil er ohne große Mühen angekurbelt werden konnte und daher vor allem von Ärzten gerne gefahren wurde, die die Vorteile eines Automobils schon früh erkannten. Sie waren schließlich auf ein zuverlässiges Fahrzeug angewiesen, das sie schnell selbst, ohne einen Chauffeur zu benötigen oder etwa ein Pferd einspannen zu müssen, betätigen konnten.
Aus dem anfangs mit einem Zweizylindermotor und ab 1908 mit einem Vierzylindertriebwerk ausgestatteten Doktorwagen wurde 1911 das abgebildete 5/12 PS Modell weiterentwickelt, das in vier Serien bis 1920 angeboten wurde
Dieser mit einer offenen Torpedo-Karosserie versehene Opel von 1911 besaß einen seitengesteuerten 1,2 l Vierzylindermotor, der 12 PS (die 5 in der Typenangabe bedeuteten Steuer-PS) bei 1800 U/min leistete und den eleganten, kleinen Zweisitzer auf eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 55 km/h brachte. Ab 1912 wurde der Motor vergrößert. Er arbeitete übrigens mit einer Tauchschmierung, die von Opel „Baggerölung“ genannt wurde, weil sie im Prinzip wie ein Eimerkettenbagger aufgebaut war.
Gesondert ordern musste der Opel-Besitzer damals so wichtige Dinge wie die Karbid-Beleuchtung, eine Windschutzscheibe, die Ballhupe oder auch das Lederverdeck, die als Zubehör galten.
Das abgebildete Exemplar gehörte zur Zeit des ersten Weltkriegs einem Nürnberger Fabrikanten. Danach ging es in den Besitz von zwei englischen Studenten über, die mit diesem Opel die USA bereisten und den Opel schließlich irgendwo einfach stehen ließen, nachdem ihnen wohl das Geld ausgegangen war. Daraufhin kam er in die Hände von Mr. Fletcher und danach zu anderen Besitzern, die ihn restaurierten und mit ihm an Schönheitswettbewerben für klassische Autos teilnahmen. 1975 fand ihn dann Edgar Heinemann und brachte ihn nach Deutschland.
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: seitengesteuerter Reihenvierzylindermotor
Hubraum: 1260 ccm
B x H: 65mm x 95mm
Leistung: 12 PS bei 1800 U/min
Höchstgeschwindigkeit: ca. 55 km/h
Antriebsart: Heckantrieb
Getriebe: Zweiganggetriebe, Kulissenschaltung rechts außen
Rahmen: Kastenrahmen
Vorderradaufhängung: Starrachse, Blattfedern
Hinterradaufhängung: Starrachse, Blattfedern
Karosserie: zweisitziger Torpedo-Aufbau
Bremsen: Seilzugtrommelbremsen
Radstand: 2330 mm
Länge: 3500 mm
Gewicht: ca. 500 kg
Preis: ca. 5200 RM
Bauzeit: 1911-1920