Nachdem die Automobilsparte der Wanderer-Werke Anfang der 30er Jahre als Folge der Weltwirtschaftskrise in die Auto Union eingegangen war, konzentrierte man sich bei Wanderer auf den Bau von Mittelklassewagen mit Sechszylindermotor. Für die Entwicklung der erstmals 1932 in Paris vorgestellten Typen W 21 mit 1,7 l-Motor und W 22 mit 2 l-Motor hatte man Ferdinand Porsche engagiert, der Ende 1930 sein unabhängiges Konstruktionsbüro in Stuttgart eröffnet hatte, nachdem er zuvor für Lohner, Austro-Daimler, Mercedes-Benz und Steyr gearbeitet hatte. Wanderer war einer seiner ersten Auftraggeber als selbstständiger Konstrukteur
Für ihre qualitativ äußerst hochwertigen Fahrzeuge war die Marke Wanderer bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bekannt. Mit Fahrrädern, Büromaschinen und Motorrädern begann die Geschichte der Wanderer-Werke aus Schönau bei Chemnitz, vormals Winkelhofer und Jaenicke.
Johann Baptist Winkelhofer und Richard Adolf Jaenicke verkauften anfangs in ihrem Velociped-Depot Rudge-Hochräder, bauten dann ab 1886 ihre eigenen Fahrräder und begannen 1902 ihre ersten Motorräder und 1905 ihre ersten Automobile zu konstruieren. Noch vor der Jahrhundertwende wählte man den Firmennamen „Wanderer“, eine Übersetzung des englischen „Rover“. Durch die Präzision, mit der Fahrräder, Motorräder und Autos dieser Marke gemacht waren, erlangten die Produkte von Wanderer schnell einen ganz besonderen Stellenwert. Im Automobilbau kam der erste Erfolg mit dem Wanderer „Puppchen“, einem kleinen Tourenwagen mit tandemartiger Sitzanordnung, der für die damalige Zeit ein richtiger Bestseller wurde. Schon bald wuchs die Modellpalette an und man baute größere Fahrzeuge.
Mit den Typen W21 und W22 wollte Wanderer neue Maßstäbe setzen und seine Position in der Auto Union als Produzent von Mittelklassewagen etablieren
Porsche konstruierte für Wanderer einen Sechzylindermotor aus Leichtmetall mit oben hängenden Ventilen, siebenfach gelagerter, dynamisch ausgewuchteter Kurbelwelle und eingesetzten nassen Laufbüchsen. Diese sehr moderne Bauweise führte zu günstigen thermischen Verhältnissen kombiniert mit einer leichten Austauschbarkeit der Zylinder. Eingebaut war der Leichtmetall-Motor in ein Fahrwerk aus einem Pressstahl-Niederrahmen, einer starren Vorderachse an Halbelliptikfedern und einer hinteren Pendelachse mit Querfeder. Diese Wahl war ziemlich skurril, weil man hier sozusagen die schlechteste Vorderachse mit der schlechtesten Hinterachse kombiniert hatte.
Den W22 gab es in verschiedenen Karosserievarianten, die sich allesamt durch eine große Geräumigkeit und eine hochwertige Ausstattung auszeichneten und den neuen keilförmigen Kühlergrill trugen
Zu den schönsten Aufbauten zählte sicherlich das elegante Cabriolet der Dresdner Karosserie Gläser, die Wanderer auch schon früher mit Karosserien belieferte. Das zweitürige und vierfenstrige Cabriolet bestach durch seine fließende Linienführung. Im Gegensatz zur Limousine, die es nur mit Scheibenrädern gab, war das Cabriolet übrigens auch mit Speichenrädern lieferbar. Der schräg gestellte und in Wagenfarbe lackierte Kühlergrill und die Kofferraumklappe im Heck galten damals als up-to-date. Auch heute noch ist das abgebildete Cabriolet, das in der ehemaligen DDR restauriert wurde und als einziges Manko falsche Stoßstangen trägt (IFA-Stoßstangen), oft im Einsatz und wird für weitere Touren genutzt, denn auf Wanderer-Qualität ist eben Verlass.
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor:ohv Reihensechszylindermotor (Porsche-Konstruktion)
Hubraum: 1950 ccm
B x H: 70 x 85 mm
Leistung: 40 PS bei 3500 U/min
Verdichtung: 1:6
Höchstgeschwindigkeit: ca. 100 km/h
Getriebe: Vierganggetriebe, Schalthebel in Wagenmitte
Kupplung: halbnasse Doppelscheiben-Kupplung
Chassis: U-Profil-Pressstahl-Niederrahmen
Vorderradaufhängung: Starrachse, Halbelliptikfedern
Hinterradaufhängung: Pendelachse, Querfeder
Bremsen: hydraulische Trommelbremsen
Radstand: 3000 mm
Spurweite: 1350 mm
L x B x H: 4500 x 1670 x 1650 mm
Gewicht: 1310 kg
Verbrauch: 13 l/100 km
Preis: 6250 RM
Bauzeit: 1933-1934