Wanderer - 5/20 PS W8 (1925)

Mit Fahrrädern, Büromaschinen und ab 1902 auch mit Motorrädern begann die Geschichte der Wanderer-Werke aus Schönau bei Chemnitz, vormals Winkelhofer und Jaenicke. Auch im Automobilbau engagierten sich die Schönauer bereits vor dem ersten Weltkrieg. 1913 gelang ihnen der große Durchbruch mit dem zweisitzigen Kleinwagenmodell 5/15 PS, bei dem die Insassen wie bei dem von Ettore Bugatti entworfenen Peugeot Bébé hintereinander platziert waren. Dem landläufig als Wanderer Puppchen bekannt gewordenen Fahrzeug sollten bald weitere Versionen, auch mit drei,- und viersitzigem Aufbau folgen

Johann Baptist Winkelhofer und Richard Adolf Jaenicke eröffneten zuerst ein Velociped-Depot für Rudge-Hochräder, bauten ab 1886 ihre eigenen Fahrräder, erst Hochräder und schon bald Niederräder, begannen 1902 ihre ersten Motorräder und 1905 ihre ersten Automobile zu konstruieren. Noch vor der Jahrhundertwende wählte man den Firmennamen „Wanderer“, eine Übersetzung des englischen „Rover“. Durch die Präzision, mit der Fahrräder, Motorräder und Autos dieser Marke gemacht waren, erlangten die Produkte von Wanderer schnell einen ganz besonderen Stellenwert. Im Automobilbau kam der wirklich große Erfolg aber erst mit dem Wanderer „Puppchen“ von 1913. Seinen Spitznamen erhielt dieses Wanderer-Automobil wegen seiner Statistenrolle bei der Uraufführung einer Kollo-Operette, als es zum Lied „Puppchen, du bist mein Augenstern“ auf die Bühne rollte.

Nach dem ersten Weltkrieg, in dem der kleine Wagen oft als Meldefahrzeug eingesetzt wurde, entwickelte man den 5/15 PS-Wanderer weiter und versah ihn mit einem modernen ohv-Motor. Sein kräftiger motorisiertes Nachfolgemodell 5/20 PS erschien 1925

Dieser Wanderer des Typs W8 verfügte über den von der Konstruktion her selben Reihenvierzylindermotor mit oben hängenden Ventilen (über Stoßstangen und Kipphebel betätigt) wie sein Vorgänger, hatte aber 5 PS mehr Leistung. Mit 20 PS bei 2000 U/min erreichte der kleine Wagen mühelos eine Höchstgeschwindigkeit von nahezu 100 km/h, was damals durchaus eine beachtliche Leistung war. Ausgestattet war das Fahrzeug mit einer Lederkonuskupplung, die man wechseln konnte, ohne Motor und Getriebe antasten zu müssen. Unkomfortabel war hingegen, dass die Kipphebel für die Ventile nicht an den Ölkreislauf angeschlossen waren und vor jeder Fahrt einen „Schluck“ aus dem an der Spritzwand angebrachten Ölkännchen benötigten. Versöhnt wurde der Fahrer dafür durch die serienmäßige Ausstattung mit einem elektrischen Anlasser von Bosch. Einen technischen Irrweg stellten die damals modischen Wulst-Ballonreifen dar. Man erkannte bald die Notwendigkeit von Drahtreifen, durch die sie dann ersetzt wurden. Etwas gewöhnungsbedürftig war das Schaltschema des Dreiganggetriebes mit nebeneinander liegendem ersten und zweiten Gang, sowie Rückwärtsgang und dritten Gang. Die Anordnung des Gaspedals zwischen Kupplung und Bremse war damals häufig anzutreffen. Eine Vierradbremse gab es erst 1926. Bis dahin begnügte sich der W8 mit Trommelbremsen an den Hinterrädern (durch Handbremse betätigt) und eine auf die Kardanwelle wirkende Fußbremse.

Die offene Karosserie des W8, die auf demselben Fahrwerk aufgebaut war, wie die zwei,- und dreisitzigen Aufbauten des Vorgängermodells, bot nun vier Personen Platz. Begnügen musste sich der W8 aber immer noch mit nur einer Tür. Zu haben war das bis 1926 angebotene Modell für 6900 RM.

Außergewöhnlich an dem abgebildeten Exemplar ist sein exzellenter Originalzustand

Das Fahrzeug wurde Ende der 20er Jahre weggestellt und erst 50 Jahre später wieder entdeckt. Bis auf eine neue Lackierung und ein neues Verdeck waren keine Restaurierungsarbeiten notwendig, so dass selbst die Originalverkabelung noch erhalten ist und sich das Leder im Innenraum im Originalzustand befindet. Sogar ein Satz original verpackter Reifen war noch vorhanden, als man den Wagen fand.

Fotos & Text: Marina Block

Technische Daten

Motor:ohv Reihenvierzylindermotor

Hubraum: 1306 ccm

B x H: 64,5 x 100 mm

Leistung: 20 PS bei 2000 U/min

Höchstgeschwindigkeit: ca. 100 km/h

Getriebe: Dreiganggetriebe

Kupplung: Leder-Konuskupplung

Vorderradaufhängung: Starrachse, Halbelliptikfedern

Hinterradaufhängung: Starrachse, Auslegerfedern

Bremsen: Trommelbremsen hinten

Radstand: 2400 mm

Spurweite: 1080 mm

Preis: 6900 RM

Bauzeit: 1925-1926




Bilder

Informationen:

MarkeWanderer
Model5/20 PS W8
Baujahr1925

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