Die ersten Hochräder, die aus Stahl gefertigt und mit Vollgummireifen bestückt waren, entstanden ab etwa 1870 nach einer Erfindung von James Starley in England, das als Motor und Initiator der Fahrzeugindustrie gilt
Wer das Fahrrad nun wirklich erfunden hat, ist unbekannt. Um 1817, als es in Europa wegen eines Vulkanausbruchs schwere klimatische Veränderungen, dadurch bedingte Ernteausfälle und dann eine Hungersnot gab und auch viele Pferde (wichtigste Transportmittel damals) starben, entwickelte der großherzogliche Forstmeister und Erfinder Karl Freiherr von Drais die lenkbare, zweirädrige Laufmaschine, um den Menschen vom Pferd unabhängiger zu machen. Da man damals noch keine Tretlager kannte, musste die aus Holz bestehende Draisine durch wechselseitiges Abstossen der Beine vom Untergrund angetrieben werden. Mit seinem Laufrad bewältigte Drais in nur vier Stunden die 50-Kilometerdistanz von Karlsruhe nach Kehl. Zwar konnte sich die Draisine damals nicht durchsetzten, doch hatte Drais einen wichtigen Denkanstoß gegeben. Dennoch sollte es gut 50 Jahre bis zum nächsten Entwicklungsschritt dauern. Dann, als schließlich Kurbel und Tretpedal erfunden waren, konstruierte der französische Wagenbauer Pierre Michaux zusammen mit seinem Sohn Ernest das Veloziped, auch „Michauline“ genannt, dessen Vorderrad über eine Tretkurbel direkt angetrieben wurde. Anfangs waren die Räder der Michauline noch mit Eisen beschlagen und machten ihrem Spitznamen „Knochenschüttler“ alle Ehre. Spätere Exemplare wiesen allerdings dank der Entdeckung des Chemikers Goodyear, der die Vulkanisierung von Kautschuk erfunden hatte, einen Vollgummibelag auf.
Nach weiteren 10 Jahren lösten schließlich die Engländer, deren Land weltweit am weitesten industrialisiert war, einen regelrechten Entwicklungsschub aus, als sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Verbreitung von Hochrädern den Individualverkehr nachhaltig vorantrieben
Erfunden wurde das Hochrad von James Starley, der es aus Stahl baute und mit Drahtspeichen versah. Dank des großen Rades und der Vollgummibereifung war das Fahren nun weit bequemer und weniger holperig als mit der Michauline. Auch kam man bei gleichem Pedaleinsatz viel weiter und schneller voran. Gerade deshalb wurden die neuen Hochräder ein überwältigender Erfolg, auch wenn das Fahren mit ihnen sehr gefährlich war und viele lebensgefährliche „Kopfstürze“ überliefert sind. Das kleine Hinterrad diente zur Stabilisierung des Fahrzeugs, so dass ein Gleichgewicht gehalten werden konnte. In den weit oben liegenden Sattel aufsteigen musste man über einen schmalen Trittraster am abfallenden Rahmenrohr, dessen gegabeltes Ende das kleine Hinterrad aufnahm. Um lenken zu können, lag der Sattel sehr nah beim Lenker, was dem Fahrer eine gewisse Akrobatik abverlangte.
Richtig berühmt machte James Starley das Hochrad durch ein spektakuläres Rennen von London nach Coventry und setzte damit schon damals den Sport als effektives Werbemittel ein.
Das Hochrad, das vom technischen Standpunkt her eigentlich voll entwickelt, aber eben doch gefährlich war, erlebte eine 20jährige Boomzeit bis 1884 das von John Kemp Starley (Neffe von James Starley) konstruierte Rover Safety Bicycle die Bühne betrat
Dieses nun sichere, dafür aber auch langsamere Fahrrad besaß nahezu gleich große Räder, Drahtspeichen, Stahlhohlfelgen mit Vollgummibereifung und einen Kettenantrieb zum Hinterrad. Damit waren Lenkung und Antrieb voneinander getrennt und die Handhabung des Fahrrads war einfacher und ungefährlicher. Wenige Jahre später wurde dann noch der trapezförmige Stahlrohrrahmen und der Luftreifen erfunden, die so um 1890 zum modernen, von Humber entwickelten Niederrad mit gleich großen Rädern führten. Der Trapezrahmen (Diamantrahmen) sorgte für mehr Stabilität und die Luftreifen für Fahrkomfort. Mit diesem Niederrad war das moderne Fahrrad geboren. Von nun an ging es lediglich mit der technischen „Feinarbeit“ am Fahrrad, wie der Entwicklung einer Gangschaltung, Federung etc. weiter. An seiner grundlegenden Konstruktion hat sich aber seit damals nichts wirklich wesentliches mehr verändert.
Fotos & Text: Marina Block