Die 1936 vom gelernten Schlosser Wilhelm Meyer im ostwestfälischen Vlotho gegründete und seit den 80er Jahren in Kalletal ansässige Firma Meyra fertigte seit Jahrzehnten motorisierte Krankenfahrzeuge und Rollstühle, letztere baut sie auch heute noch. Meyra avancierte sogar zum Marktführer auf diesem Gebiet. Doch nach dem Tod des Gründers führte ein Mismanagement der Nachfolger in wenigen Jahren zur Insolvenz und im Jahr 2013 zur Übernahme durch das polnische Unternehmen Medort, das den Betrieb unter seinem alten Namen weiterführt
Bereits Ende der 30er Jahre verkaufte Wilhelm Meyer sein erstes motorisiertes Versehrten-Dreirad in Trikeform, den Typ 26 mit DKW-Motor. Auf Basis dieser Konstruktion entstanden dann nach dem Krieg auch die folgenden, technisch weiterentwickelten Versionen. Später besaßen die Meyra-Dreiräder allerdings eine Besonderheit der Urversion nicht mehr: bei ihnen ließ sich das Vorderrad samt Vorderbau nicht mehr abbauen, um das Fahrzeug dann als schlichten Rollstuhl weiter verwenden zu können.
Natürlich war vor allem nach dem Krieg der Bedarf an Krankenfahrzeugen aller Art wegen der vielen Versehrten riesengroß Gleich 1948 bot die Firma wieder ein motorisiertes Dreirad mit einem Vorderrad und zwei Hinterrädern an, dem bald weitere Versionen folgten. Alle waren auf die Bedürfnisse von Gehbehinderten zugeschnitten und zumeist mit Sachs,- oder Ilomotoren von 50 ccm bis 250 ccm Hubraum bestückt. Schützende Blechverkleidungen variierten je Modell in Form und Ausmaß. Auch mit einem Verdeck waren die Fahrzeuge meist zu haben. Rollstühle, die schon bald mit einem Elektroantrieb versehen waren, standen parallel zu den offenen Dreirädern im Programm. Selbst in die Produktion behindertengerechter Kleinwagen stieg Meyra in den 50er Jahren ein und baute einige geschlossene Dreiräder mit zwei Rädern vorn und einem Rad hinten. Sogar ein kleiner vierrädriger Roadster wurde in zwei Exemplaren gefertigt. Ausgestattet waren diese Kleinstautomobile, von denen meist nur einige Prototypen entstanden, zum Teil mit einer Kunststoffkarosserie oder aber mit einem kunstlederbezogenen Sperrholzaufbau. Einen solchen besaß auch das einzige „Serienmodell“ unter ihnen, der Meyra 200, von dem 50 Exemplare für jeweils 2200 DM einen Besitzer fanden und der eine Fronttür ähnlich der BMW Isetta besaß. Einige Exemplare dieses Modells waren auch mit Kunststofftüren bestückt. Obwohl die Meyra-Autos auf Ausstellungen und Messen sehr viel Interesse erweckten, hielt sich der Absatz sehr in Grenzen. Das lag wohl hauptsächlich daran, dass die Isetta nun auch in behindertengerechter Ausstattung zu haben war. Außerdem war die Kleinstwagenkonkurrenz zu dieser Zeit schon ziemlich stark angewachsen und es gab viele Alternativen am Markt. So wurde die Produktion der Kleinstwägelchen bald eingestellt und man konzentrierte sich weiterhin auf Rollstühle und motorisierte Versehrten-Trikes.
Der von den 60er Jahren an bis in die 70er Jahre angebotene Typ 49a/64 war ein Dreirad mit 50 ccm Sachs-Zweitaktmotor, der auch mit einem zusätzlichen mechanischen Handantrieb geordert werden konnte
Das abgebildete Modell ist motorisiert, kann aber auch allein über Muskelkraft mit den beiden Handstangen bewegt werden. Demzufolge besaß das Fahrzeug auch zwei Lenkungen, je nachdem welche Antriebsweise der Fahrer wählte. Der Hinterradantrieb erfolgte über eine Kette auf das rechte Hinterrad. Eine Batterie befand sich unter dem Sitz und das Benzinreservoir hinter dem Sitz, direkt im Rücken des Fahrers.
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: luftgekühlter Einzylinder-Zweitaktmotor von Sachs, Saxonette
Hubraum: 47 ccm
B x H: 38 x 42 mm
Verdichtung: 1:6,5
Leistung: 1,8 PS bei 4400 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 30 km/h
Vergaser: Bing-Kolbenschiebervergaser
Getriebe: Zweigang-Automatikgetriebe
Rahmen: Rohrrahmen, Sitz hinten über Spiralfedern abgestützt
Vorderradaufhängung: Kurzschwinge
Hinterradaufhängung: starr
Bremsen: Leichtmetall-Vollnabenbremse vorn, Halbnabenbremsen hinten
Gewicht: 120 kg
Bauzeit: 60er und 70er Jahre