Phänomen - Ahoi (1940)


Nach einer knapp zwei Jahrzehnte dauernden Enthaltsamkeit im Motorradbau begann das Zittauer Phänomen-Werk um 1930 herum wieder Motorräder zu fertigen, baute erst das Leichtmotorrad Bob und schließlich die fortschrittliche Ahoi mit Allradfederung

Karl Gustav Hiller hatte schon 1888 in Zittau die Phänomen-Fahrradwerke gegründet und verkaufte auch Fahrräder der englischen Marke Rover. Schon um 1900 stellte er ein erstes Motorradmodell mit Fafnir-Einbaumotor her. Dann aber konzentrierte er sich ab 1905 auf den Bau eines Dreirads, das er Phänomobil nannte und das,- bis 1927 in der Produktion-, sehr erfolgreich werden sollte. Während dieser Erfolgsstory, die Gustav Hiller aber nur noch zum Teil miterlebte (er starb 1913), stieg Phänomen auch, allerdings mit weniger Erfolg, bis 1927 in die Automobilproduktion ein. Mittlerweile war die Firma zu einer Aktiengesellschaft geworden und Gustav Hillers Sohn Rudolf hatte die Unternehmensleitung übernommen. Er sah, dass es in einer Zeit der knappen Mittel einen wachsenden Bedarf an leichten und bezahlbaren Motorrädern gab und brachte in den 30er Jahren gefragte und zumeist mit Sachs-Einbaumotoren bestückte Leichtmotorräder auf den Markt. Besonders beliebt war die in verschiedenen Hubraumversionen angebotene Phänomen Bob der späten 30er Jahre. In den 40er Jahren kam das allradgefederte Kleinkraftrad Phänomen Ahoi hinzu, das ein Fall für sich war. Und zwar aus folgendem Grund. Richtig wichtig war für eine kleine Firma wie Phänomen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein erfolgreiches Nischenprodukt. Das hatte sie im LKW-Modell Granit gefunden, das ab der 30er Jahre bis 1945 gebaut wurde. Für den luftgekühlten, äußerst zuverlässigen und geländegängigen Leicht-LKW interessierte sich bald auch das Militär. Weil das so war, erhielt Phänomen eine Art Sonderstatus und wurde von den Nazis nicht angetastet. Hier liegt auch der Grund dafür, dass neben der DKW RT 125 auch die Phänomen Ahoi in der Kriegszeit produziert werden durfte.

Die von 1940 bis 1943 gefertigte Ahoi wurde hauptsächlich für die Hitlerjugend gebaut und dort als Ausbildungsfahrzeug eingesetzt

Das Besondere an diesem nur 85 kg schweren Motorrad mit seinem zuverlässigen 124 ccm Einzylinder-Zweitaktmotor von Sachs war die gummigedämpfte Schwingmetall-Allradfederung. Ihre Gummifederung wirkte selbstdämpfend und war auch im Gelände vorteilhaft. Einen weiteren Pluspunkt brachte im Gelände die damals noch nicht oft anzutreffende Fußschaltung des Dreiganggetriebes, weil die Hände nun immer am Lenker bleiben konnten. Auch der hochliegende Auspuff machte natürlich im Gelände Sinn und sollte zudem junge Leute von der Optik her ansprechen.

Die Produktion der Ahoi wurde 1943 eingestellt, da sich das Werk neben dem Bau von Flugzeug- und Rüstungsteilen vor allem auf die Herstellung des LKW Granit konzentrieren sollte

Nach dem Krieg wurden die Produktionsstätten verstaatlicht und der Phänomen Granit zur Grundlage für die Nutzfahrzeugentwicklung in der DDR. 1957 nannte man das Werk in die VEB-ROBUR-Werke Zittau um.

Fotos & Text: Marina Block



Technische Daten

Motor: Einzylinder-Zweitaktmotor von Fichtel & Sachs

Hubraum: 124 ccm

B x H: 54 mm x 54 mm

Leistung: 3,5 PS bei 4500 U/min

Zündung: Bosch Schwungrad-Lichtmagnetzünder

Getriebe: Dreigangggetriebe, fußgeschaltet

Rahmen: geschlossener Rohrrahmen

Vorderradaufhängung: Schwingmetallgaben mit Gummielement

Hinterradaufhängung: Schwingmetall-Hinteradfederung mit Gummielement

Bremsen: Trommelbremsen

Radstand:1220 mm

Sitzhöhe: 680 mm

Gewicht: 85 kg

Tankinhalt: 9,5 l

Verbrauch: 2,2 l auf 100 km

Reifen: 2.50-19“

Ausstattung:elektrische Hupe, Gepäckträger, Werkzeugtrommel mit Spezialwerkzeug, starker Kippständer,

breiter, verstellbarer Sportlenker, hoch liegender Auspuff

Bauzeit: 1940-1943



Bilder

Informationen:

MarkePhänomen
ModelAhoi
Baujahr1940

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