Jubel und Anerkennung zog sich weltweit durch die komplette Motorpresse als Packard im Mai 1915 das erste serienmäßige V-Zwölfzylindermodell der Welt vorstellte
Möglich gemacht wurde Packards Erfolgsgeschichte durch das Zusammenwirken dreier Männer. So hatte der energische Firmeneigner Henry Joy 1910 James Alvan Macauley von der Büromaschinenfirma Burroughs, die dieser aufgebaut hatte, zu Packard geholt und 1916 zum Generaldirektor gemacht. Der wiederum war für den perfekten Schachzug verantwortlich, den genialen Konstrukteur Jesse Vincent von Hudson abzuwerben. Beide kannten sich von Burroughs her, wo Vincent vor seiner Arbeit für Hudson als Ingenieur tätig war und viele Patente hielt. Bald schon zählte Jesse Vincent in Fachkreisen übrigens zu den 30 wichtigsten Männern der Automobilgeschichte. In gemeinsamer Anstrengung brachten diese drei nun Packard voran.
Die enorme Leistungsfähigkeit von Zwölfzylindermotoren hatte Packards Chefkonstrukteur Jesse Vincent bereits 1914 auf lokalen Rennstrecken höchstpersönlich unter Beweis gestellt. Nun aber nicht nur einzelne Rennwagen mit Zwölfzylindermotor zu bauen, sondern das erste serienmäßige Zwölfzylindermodell der Welt herauszubringen, hatte Symbolcharakter. Denn in der neuen Welt fühlte man sich dadurch bestätigt, die Führung im Automobilbau übernommen zu haben. Zuvor war dieser Platz eher von europäischen Automobilherstellern besetzt gewesen. Weit mehr noch als durch seine Leistung zeichnete sich der V-Zwölfzylindermotor von Jesse Vincent durch seinen enorm gleichmäßigen Lauf und durch seine Kompaktheit aus.
So brachte der Twin Six von Packard, der mit leichten Abänderungen in drei Serien bis 1923 gebaut wurde, der Marke, deren prägnanter Slogan „Ask a man who owns one“ von Henry Joy stammte, weltweites Ansehen und führte sie an die Spitze der amerikanischen Automobilindustrie auf dem Luxuswagensektor. Packard avancierte zwischen den beiden Weltkriegen zur unangefochtenen Prestigemarke der Welt.
Jesse Vincent, der ab 1912 für gut vierzig Jahre die Geschicke von Packard auf technischem Gebiet lenken sollte, hatte einen Wagen der Superlative geschaffen, der viele „Firsts“ beinhaltete
So war dieser Packard nicht nur das erste Serienzwölfzylindermodell, er war auch der erste Serienwagen mit Aluminiumkolben. Durch ihr geringeres Gewicht und die bessere Wärmeableitung wurde eine höhere Leistungsfähigkeit ermöglicht. Ein weiteres Novum stellte die schräg verzahnte und damit leiser laufende Hinterachse dar. Damit gehörte das nervtötende Jaulen der früheren gerade verzahnten Hinterachsen der Vergangenheit an. Auch der Kurbelwellen-Schwingungsdämpfer des V-Zwölfzylindermotors zählte damals zu den Neuheiten auf dem Markt. Er verhinderte kritische Drehzahlen. Ein weiterer Vorteil dieses Motor war, dass er ohne Zylinderkopfdichtungen auskam und somit eine Problemquelle wegfiel. Auch die automatische Zündverstellung erleichterte die Handhabung des Fahrzeugs und sorgte durch den Ausschluss von Fehlbedienungen für ein längeres Leben des elektrischen Anlassers, den der Twin Six selbstverständlich schon besaß. Ebenfalls neu war auch das Thermostat, mit dem der Motor schnell auf Betriebstemperatur gebracht wurde. Auch mit großen Schaltmanövern musste sich der Packard-Fahrer nicht abmühen, denn das Fahrzeug mit seinem großen Hubraum von 6950 Kubik ließ sich, wenn man denn wollte, vom Schritttempo bis zur Höchstgeschwindigkeit von fast 120 km/h ohne zu Schalten fahren.
Packard war damals absolut führend auf technischem Gebiet und bekam dadurch soviel Aufmerksamkeit, dass selbst das Kühlerdesign von anderen Marken wie etwa von Opel, Minerva, ZIS oder auch Buick kopiert wurde.
Am Twin Six zeigte sich auch die überragende Qualität in Material und Verarbeitung, die bei Packard Tradition hatte
So wurde Packard im ersten Weltkrieg zu einem bedeutenden Hersteller von „Liberty“-Flugmotoren und im zweiten Weltkrieg zum größten Hersteller der Rolls-Royce-“Merlin“-Motoren. Auch sprach sich die hohe Qualität des Twin Six damals weltweit herum und ließ Packard zum „Rolls-Royce Amerikas“ aufsteigen. Gebaut wurde das Zwölfzylindermodell in 35102 Exemplaren. Unser Fahrzeug des Typs 1-25 stammt aus der ersten Serie, von der nur wenige Exemplare überlebt haben, und besitzt den kurzen Radstand von 3175 mm (entspricht 125 Zoll).
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: sv V-Zwölfzylinder
Hubraum: 6950 ccm
B x H: 76,2 mm x 127 mm
Leistung: 88 PS bei 2600 U/min
Vergaser: Packard Gleichdruckvergaser mit Vorwärmvorrichtung
Höchstgeschwindigkeit: 113 km/h
Zündanlage: Batteriezündung, Packard-Delco-Verteiler mit zwei Unterbrechern
Kühlung Wasserkühlung mit Ventilator und Thermostat
Getriebe: Dreiganggetriebe, Kulissenschaltung
Kupplung: Mehrscheibenkupplung
Bremsen: mechanisch auf Hinterräder
Radstand: 3175 mm
Chassis: Leiterrahmen aus U-Profilen mit Querverbindungen
Vorderradaufhängung: Starrachse, halbelliptische Blattfedern längsliegend
Hinterradaufhängung: Starrachse, halbelliptische Blattfedern in Overslung-Bauweise längs, Querfeder
Gewicht: 1775 kg
Verbrauch: 20 l auf 100 km
Bauzeit: 1915 – 1923
Stückzahl: 35102 Ex. In drei Serien