Glas begann erst in den 50er Jahren Autos zu bauen
Der Landmaschinenproduzent Glas aus dem bayerischen Dingolfing kam erst in den 50er Jahren auf die Idee auch Autos zu bauen. Erst einmal startete man 1951, inspiriert von der italienischen Vespa, mit der Produktion des Goggorollers, der die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg als Voraussetzung für den Autobau bei Glas schuf. Glas hatte anscheinend den auch in Deutschland einsetzenden Motorroller-Boom vorausgeahnt. Mit dem aufkommenden Wohlstand in der Wirtschaftswunderzeit genügte allerdings auch ein reichhaltig karossiertes Zweirad den wachsenden Ansprüchen bald nicht mehr. Der Wunsch nach einem festen Dach über dem Kopf wurde immer größer. Jeder wollte nun ein Auto besitzen und nicht mehr, wie beim Motorrad fahren, Wind und Wetter ausgesetzt sein. Da man mit dem Motorradführerschein der Klasse 4 auch Autos mit Motoren bis 250 ccm Hubraum fahren durfte, wuchs der Bedarf an erschwinglichen Kleinstwagen rasant. Allerdings wollten die meisten Leute ein Fahrzeug, das auch wirklich wie ein normales Auto aussah und keine exotische Konstruktion á la Messerschmitt Kabinenroller oder Zündapp Janus. Auch diesen Trend hatte Hans Glas frühzeitig erkannt und mit dem ab 1955 verkauften Goggomobil ein preiswertes Fahrzeug geschaffen, das aussah wie ein richtiges Auto, Platz für eine Kleinfamilie bot und nicht teurer war als ein Motorrad mit Beiwagen. So kostete die, laut Werbung, „bessere Alternative zum Motorrad“ anfangs auch nur 2940 DM.
Der Kleinstwagen mit Heckantrieb und 14 PS Heckmotor zeichnete sich durch gute Bremsen, ein robustes Triebwerk und wenig Gewicht aus
Die selbsttragende und ziemlich rostempfindliche Karosserie mit anfangs hinten und ab 1964 vorn angeschlagenen Türen war auf einem Plattformrahmen verschraubt. Im Fahrzeugheck hinter der Hinterachse platziert, quer eingebaut und in Gummi gelagert befand sich der gebläsegekühlte Reihenzweizylinder-Zweitaktmotor mit Vierganggetriebe von Hurth und im Ölbad laufender Zweischeibenkupplung. Entwickelt wurde das zuverläßige und weich laufende Triebwerk vom ehemaligen Adler-Motorenspezialisten Felix Dozekal. Die unabhängig aufgehängten Räder saßen vorn und hinten an Pendelachsen mit Federbeinen. Ferner gab es eine Zahnstangenlenkung und hydraulische Bremsen von ATE. Ungewöhnlich war das Z-Schema der Mittelschaltung, allerdings ließ es sich sehr gut schalten. Die Innenraumgestaltung wirkte, wie bei solchen Fahrzeugen üblich, etwas spartanisch, enthielt aber alles Notwendige. Entschädigt wurde der Kunde für den Mangel an Luxus durch eine große Farbauswahl und einen riesigen Zubehörkatalog.
Das hübsche 2+2 Coupé TS 250 erweitet ab 1957 das Angebot
Das Coupé, das übrigens schwerer war als die Limousine, kostete mit 3650 DM bereits einiges mehr, hatte allerdings auch etwas mehr zu bieten. So besaß es eine ansprechend sportliche Formgebung mit niedriger Dachlinie, Panoramaheckscheibe, chicer Kühlergrillattrappe und wie kleine Heckflösschen wirkender Heckleuchten. Es gab ein etwas formschöner gestaltetes Armaturenbrett und von Anfang an Kurbelfenster und Liegesitze. Auch durfte sich der Kunde beim Coupé zwischen dem normalen Vierganggetriebe und einem elektromagnetischen Vorwahlgetriebe entscheiden, das es für die Limousine nur gegen Aufpreis gab. Viel mehr Stauraum hatte aber auch das Coupé nicht zu bieten, da es ebenfalls keinen Kofferraum besaß. Dank seiner windschnittigeren Form war das Coupé allerdings gut 5 km/h schneller, was bei einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h schon ins Gewicht fiel.
Angeboten wurde das Goggomobil auch mit 300 ccm und später mit 400 ccm Hubraum. Da diese Varianten nicht mehr mit der Führerscheinklasse 4 zu fahren waren, blieb die produzierte Stückzahl überschaubar. Im Programm stand ab 1957 auch ein Goggomobil Transporter.
Bis zum Produktionsende 1969, also auch noch drei Jahre unter BMW-Regie, entstanden vom TS Coupé mehr als 66000 Stück und von der Limousine über 214000 Exemplare.
Damit war das Goggomobil der erfolgreichste Kleinstwagen jener Zeit.
Fotos & Text: Marina Block
Technische Daten
Motor: Reihenzweizylinder-Zweitaktmotor im Heck
Hubraum: 247 ccm
B x H: 53 mm x 56 mm
Leistung: 14 PS bei 5400 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h
Vergaser: Bing Schrägdüsenvergaser
Elektrik: Dyna-Startanlage
Getriebe: Vierganggetriebe oder elektromagnetisches Vorwählgetriebe (Ziehkeil)
Lenkung: Zahnstangenlenkung
Antrieb: Hinterradantrieb
Karosserie: Stahlblechkarosserie mit Plattformrahmen verschraubt
Vorderradaufhängung: Pendelachse, Federbeine
Hinterradaufhängung: Pendelachse mit Längslenkern, Federbeine
Bremsen: hydraulische Trommelbremsen von ATE
Radstand: 1800 mm
Gewicht: 470 kg
Reifen: 4,80-10
L x B x H: 3035 x 1370 x 1235 mm
Wendekreis: 8,5 m
Bauzeit: 1957-1969
Preis: 3650 DM