Das Silbertablett mit unterschiedlich geformten Likörbechern erhielt der Meller Ernst Heitling 1913, nachdem er bei der ADAC-Sternfahrt nach Hannover eine Platzierung errungen hatte. Heitling, der 1868 eine Firma zur Fertigung von Steinmühlen in Melle gründete, besaß einen Stoewer, war ein begeisterter Automobilist und trainierte gerne am Oldendorfer Berg
Die Sternfahrt zur Provinzialhauptstadt Hannover hatte damals der Allgemeine Deutsche Automobil-Club aus Anlass der Festwoche zur Einweihung des Neuen Rathauses von Hannover am 20. Juni durch Kaiser Wilhelm II und zu Ehren seines Regierungsjubiläums veranstaltet. Da nicht nur sein jüngerer Bruder Prinz Heinrich sondern mittlerweile auch Wilhelm II selbst ein Automobilfreund geworden war und über einen großen Fuhrpark verfügte, der von seinen Chauffeuren Karl Krieger und Julius Knoop gemanagt wurde, lag eine derartige Fahrt zu seinen Ehren relativ nahe. Ernst Heitling fuhr auf der achtstündigen Fahrt seinen Stoewer 6/12 PS und wurde dabei von Herrn Hensiek aus Buer begleitet. Für ihre Platzierung erhielt der Besitzer des Stoewer das Tablett mit den Likörbechern, die allesamt eine unterschiedliche Formgebung besaßen, damit alle Mitfahrer ihre Becher wiedererkennen konnten. Schließlich wurde damals wohl während der Ausfahrten nicht nur ein Schnäppschen konsumiert.
Da es Anfang des 20. Jahrhunderts noch keine sensiblen Alkoholtests gab und Alkoholkonsum aus Geselligkeit, trotz der Anti-Alkoholbewegung (entstanden zur Zeit des Pauperismus durch Sozialreformer wie Friedrich Engels, um der „Branntwein-Pest“ innerhalb der unteren Schichten entgegenzuwirken), in gehobenen Kreisen, zu denen die Autofahrer zählten, noch gesellschaftsfähig war, stellten diese Trinkservice auf Ausfahrten ein durchaus gängiges Accessoire unter Automobilisten dar
Welche Rolle Alkohol schon damals bei Unfällen spielte, zeigte allerdings so manche Darstellung auf den damals weit verbreiteten Scherzpostkarten, die den „Autler“ auf‘s Korn nahmen.
Das Silber-Service war ein Kellerfund
Bei einer Aufräumaktion hatte der Enkel von Ernst Heitling das Service im Keller des elterlichen Hauses gefunden und dem Museum als Leihgabe zur Verfügung gestellt.
Fotos & Text: Marina Block